Kein Witz: Der Spiegel Online widmete einen ganzen Artikel dem 16-jährigen Moritz, der sich für eine Zugfahrt das Magazin „Geo Epoche“ kaufte, weil das Handy defekt und der Laptop zu schwer war. Der Radiosender WDR 2 legte nach und berichtete ausführlich, wie die 15-jährige Marie erstmals den „Spiegel“ durchblätterte. Das unfreiwillig amüsante Transkript des Radiobeitrages ist auf dem Blog des Medienjournalisten Stefan Niggemeier abrufbar. Wenn „Jugendlicher liest Zeitschrift“ schon eine erzählenswerte, weil nicht alltägliche Geschichte ist, dann haben Verlage tatsächlich ein Problem und es ist bezeichnend für den veränderten Medienkonsum. Dass Moritz und Marie lieber am Smartphone lesen, verstehe ich nur allzu gut, denn das ist bequem und online haben sie eine fantastische Auswahl an journalistischen Inhalten. Warum also auf eine Zeitung beschränken? Für Verlage ist es bitter, aber das Geschäftsmodell der Zeitung als ein in sich abgeschlossenes Produkt, das Konsumenten als Gesamtes kaufen, passt nicht mehr zu den neuen digitalen Nutzungsformen.
Aber es raschelt doch so schön …
Argumentativ beten Branchenvertreter seit Langem das gleiche Mantra vor: Es sei vom Gefühl her angenehmer, eine Zeitung physisch in der Hand zu halten und das Papier rascheln zu hören. Wer häufiger in einer vollgestopften Straßenbahn fährt, weiß hingegen, wie unhandlich ein großes Zeitungsformat sein kann. Oft wird das Argument genannt, dass sich Zeitungsleser beim Durchblättern automatisch über eine größere Themenvielfalt informieren, mehr über neue Dinge erfahren und damit ein besseres Allgemeinwissen besitzen. Stimmt so nicht, weil diese Funktion kein Alleinstellungsmerkmal von Zeitungen ist. Soziale Medien wie Twitter können das mindestens genauso gut, es kommt nur darauf an, den richtigen Leuten zu folgen.
Journalismus ohne Verlage
„Je mehr Zeitungen und Zeitschriften existieren, desto besser ist es“, diese Überlegung wird bei fast allen Diskussionen über die Zukunft der Medien einfach vorweggenommen. Medienvielfalt ist zwar wichtig, aber wie viele und vor allem welche Medien brauchen wir wirklich? Gerne wird vergessen, dass trotz aller Wehklagen der journalistische Blätterwald in Österreich sehr dicht ist. Zudem bieten immer mehr Unternehmen selbst journalistische Angebote an. Das Red Bull Media House vereint gleich mehrere Magazine, Online-Plattformen, TV-Sender, Apps und ein Musiklabel unter seinem Dach. BIPA startete die „Beauty Lounge“ und berichtet dort unter anderem über neueste Fashion- und Lifestyle-Trends, publiziert Video-Tutorials für gelungenes Make-up und bietet im „bbmom Magazin“ Hilfestellungen für Mütter und Väter. Unter dem viel gehypten Wort „Content Marketing“ entstehen neue journalistische Angebote, die zumindest den Bedarf nach Soft News gut abdecken. Konsumenten sind dadurch nicht mehr alleine auf klassische Medienmacher angewiesen.
Was bringt die Zukunft
Es wird jedoch immer eine Nachfrage nach gründlich recherchierten und kritisch hinterfragten Inhalten geben. Die häufig bei Fachtagungen genannten und durchaus begrüßenswerten Überlebensstrategien von Zeitungsmachern sind mehr meinungsbetonte Inhalte, Hintergründe aufzeigen, Zusammenhänge erklären und Geschichten mit Tiefgang erzählen. Es liegt an den Verlagen, das auch konsequent umzusetzen und nicht den Versuchungen der schnellen Klicks zu erliegen. Wie aber sollen diese hochwertigen Inhalte anschließend publiziert und finanziell verwertet werden? Mauern hochzuziehen, ist jedenfalls der falsche Weg. Denn eines hat die disruptive Kraft der Digitalisierung schon bewirkt: Wir leben heute in einem journalistischen Schlaraffenland und brauchen uns nicht mehr die guten Körner aus einem Angebot herauszupicken, sie fliegen uns vielmehr vors Auge. Es werden deshalb auch die Medien erfolgreich sein, die publizistische Inhalte direkt abrufbar, technisch offen, einfach teilbar und mit möglichst niedrigschwelligen Bezahllösungen anbieten.