Rezension: Journalistik. Medienkommunikation. Theorie und Praxis

[av_textblock aalb-admin-input-search=“ size=“ font_color=“ color=“ av-medium-font-size=“ av-small-font-size=“ av-mini-font-size=“ av_uid=’av-jryw7nh1′ admin_preview_bg=“]

Rezension/Literaturdiskussion

Weischenberg, Siegfried (2004): Journalistik. Medienkommunikation. Theorie und Praxis. Band 1: Mediensysteme – Medienethik – Medieninstitutionen. Wiesbaden: VS-Verlag, S. 37-71.

Journalisten tragen eine große Verantwortung. Sie sind, so die Forschung, die „Gatekeeper“, die Torwächter über Informationen. Sie bestimmen welche Informationen die Gesellschaft erhält, die in ihrer modernen Ausprägung schnelle und sichere Nachrichten benötigt, um agieren und reagieren zu können. Journalisten sollen unabhängige und objektive Kritiker sein, viele sprechen von der vierten Macht im Staat. (neben Exekutive, Judikative und Legislative) Bei einer Laudatio zum Buch „Die offene Gesellschaft und ihre Feinde“ vom bekannten Wissenschaftler Sir Karl Popper hat der österreichische Journalist Peter Michael Lingens sogar davon gesprochen, dass der Journalist Auge, Ohr und Verstand der Gesellschaft sei.

Gerade wegen seiner Wichtigkeit gibt es viel Literatur zum Journalismus und generell zum Thema Medien. Mit dem Studienzweig Publizistik- und Kommunikationswissenschaft beschäftigt sich sogar ein eigener wissenschaftlicher Zweig damit.

Weischenberg versucht mit seinem Buch einen kompakten Überblick über Praxis und Theorie des Journalismus zu liefern. Er versucht zuerst den Begriff Journalismus zu definieren. Dabei geht er aber auch auf das Berufsbild des Journalisten ein. Nacheinander reiht Weischenberg schließlich die Zitate zum Journalismus auf. Stück für Stück arbeitet er dann die Zitate auf und zeigt, wie sich der Begriff Journalismus und mit ihm die Arbeit des Journalisten gewandelt hat. Der Aktualitätsbegriff wird besonders hervorgehoben und erörtert was dies für Journalisten wie Rezipienten bedeutet.

Text 1-4 beschäftigt sich mit der „Enthemmung“ des Journalismus (damit ist die Befriedigung der Sensationsgier der Rezipienten durch die Journalisten gemeint) und den „Überfluss“ von Informationen, die die Gesellschaft überschwemmen. Diese Enthemmung wird von Peter Sloterdijk, dessen Werk „Kritik der zynischen Vernunft“ auszugsweise wiedergegeben wird, massiv angeprangert. Für mich stellt sich hier aber die Frage, ob die Überflutung von Informationen wirklich so ein Problem ist, wie es Sloterdijk darstellt. Ich kann den Text nicht unwidersprochen gelten lassen, m.M. nach fließt in Sloterdijk Betrachtung doch ein gewisses Stimulus-Response-Denken ein. Es wird nämlich weder erwähnt das Menschen sich sehr wohl von Informationen (und Medien) abkapseln können, noch das Menschen die Kompetenz haben, Unwichtiges und Nebensächliches auszublenden. Der bekannte Nutzen- und Belohnungsansatz besagt ja sogar, dass sich Rezipienten aktiv den Informationen zuwenden, aber nur dann, wenn sie daraus einen Nutzen ziehen können.

Weiters geht es in diesem Kapitel auch um die Frage, inwieweit Medien die Realität abbilden, oder ob sozusagen Journalisten eine „synthetische Welt“ erzeugen. Dabei geht Weischenberg davon aus, dass die Identität des Journalismus am besten analysiert werden kann, wenn er in eine Ausnahmesituation gerät, z.B. beim Golfkrieg.

Im Text 1-5 wird die Verknüpfungen bzw. die Verschiedenheit von Wissenschaft und Journalismus behandelt. So nennt der zitierte Spinner „Zugangs- und Kritikoffenheit veröffentlichten Wissens“ sowie „Verpflichtung zur Wahrheit“ als gemeinsame Merkmale. Wissenschaft beeinflusste den Journalismus aber auch insofern, als dass verlangt wurde, Fakten nach wissenschaftlichen empirischen Methoden zu sammeln. Diese Forderungen fallen unter dem Begriff Präzisionsjournalismus. Nicht zuletzt wird in diesem Kapitel die historische Entwicklung der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft wiedergegeben.

Der Text 1-6 geht dann schließlich noch tiefer in die Geschichte und behandelt das Feuilleton und zwar beginnt das Kapitel mit der „Ausmerzung des Judentums aus dem deutschen Feuilleton“, anhand eines Auszug eines „Kommunikationswissenschaftlers“, der ganz im Lichte der nationalsozialistischen Ideologie schreibt. Man muss nicht unbedingt extra erwähnen, dass diese ideologische Betrachtung wenig mit Wissenschaft zu tun hat. Weischenberg möchte mit diesem Auszug zeigen, auf welchem schlechten Niveau die Publizistikwissenschaft stand, als „(…) in den kommunikationspolitischen Diskussionen der späten sechziger und frühen siebziger Jahre Fragen nach den Faktoren, welche die Berichterstattung in den aktuellen Medien bestimmen, gestellt wurden.“ Weiters führt Weischenberg aus, wie anfangs wenig Beachtung der Institution, in der der Journalist arbeitet, geschenkt wurde, einen wichtigen Fortschritt brachte hier Manfred Rühl mit seiner Analyse über Zeitungsredaktionen. Hier möchte ich einhaken: Dass gerade in den späten sechziger und frühen siebziger Jahre das Fach mit leeren Händen dastand, kann ich nicht gelten lassen. Hat doch bereits 1965 Galtung und Ruge doch sehr treffend die Nachrichtenfaktoren bestimmt. Es kann daher für mich nur Sinn ergeben, wenn in den frühen siebziger Jahren es noch keine deutsche Übersetzung ihres Werkes gab und ihre Forschung erst später im deutschsprachigen Raum bekannt wurde.

Abgeschlossen wird das Kapitel mit Betrachtungen zum Konstruktivismus. Der Konstruktivismus ist sicherlich eines der interessantesten Theorien und findet auch in andere Bücher zum Journalismus Beachtung. (vgl. LORENZ, Dagmar: Journalismus. Stuttgart/Weimar: J.B. Metzler. S. 127)

Die Veränderung von Lernen und Wissen zeigt Weischenberg an einem Artikel von Hans Magnus Enzensberger, indem er Melanchthon (Philosoph im 16. Jhdt.) mit der Lebenswelt moderner Menschen vergleicht. Ihr Wissen unterscheidet sich ganz beträchtlich. Dies wird auch damit begründet, dass Melanchthon wenige Informationen zur Verfügung hatte (Bücher waren extrem selten und teuer) und sich so auf sein Studium konzentrieren konnte, während es für den modernen Menschen ein Überangebot von Informationen gibt und sie sich dadurch leichter ablenken lassen. Dabei stellt sich für mich persönlich aber die Frage, ob das wirklich stimmt: Ob man Information auf Medienangebote reduzieren darf. Könnte nicht Melanchthon genauso in Wirtshäusern, auf der Straße, am Markt, durch Reisen, etc. Informationen sammeln die partikulär und unnütz für sein Studium sind? Könnte er nicht auch seine Zeit vertreiben in dem er Geschichtenerzählern zuhört und dem Klatsch und Tratsch der Leute? Zusammengefasst, die Vergleiche von Enzensberger, z.B. bei der Wahl zwischen Curriculum und Werbefernsehen und sich der moderne Mensch „Zizi“ für das Werbefernsehen entscheidet, ist mir zu einfach und zu verkürzt.

Sehr wohl zeigt aber der Artikel eindrücklich, dass der Maßstab für die Relevanz von Wissen nicht „die Wahrheit“ oder „die Realität“ ist, sondern die individuelle Nützlichkeit von Informationsangeboten. Daraus ergibt sich schließlich, als Eingrenzung und Spezifizierung, dass die Funktion des Journalismus darin besteht „(…)Themen für die Medienkommunikation zur Verfügung zu stellen, die Neuigkeitswert und Faktizität besitzen, und zwar insofern, als sie an sozial verbindliche Wirklichkeitsmodelle gebunden sind.“

Was mir zusammenfassend auffällt ist, dass Weischenberg sich eindeutig stark mit der Konstruktion von Wirklichkeit beschäftigt hat. Genauso kommt das Problem (wobei ich hier, wie weiter oben beschrieben, keine so große Problematik sehe) des Überangebots an Informationen und deren Verarbeitung an mehrer Stellen des Textes vor.

Dieser Text entstand im Sommersemester 2009 während meines kommunikationswissenschaftlichen Studium (Hausübung bei BAKK1) an der Universität Wien.
[/av_textblock]