Journalismusforschung im Überblick

Yeah. Meine Magisterarbeit  ist bereits benotet und damit muss nur noch eine Hürde überwunden werden: Die Magisterprüfung Ende Juni. In Publizistik- und Kommunikationswissenschaft macht man sich vorab mit seinem Diplomarbeitsbetreuer eine Literaturliste aus, die allerlei wissenschaftlichen Aufsätzen und Büchern enthält. Das Ganze kann dann bei der mündlichen Magisterprüfung abgefragt werden. Nachdem die große Menge an Lernstoff organisiert sein will, schreiben die meisten Studenten für sich selbst Kurzzusammenfassungen. Ich finde es schade, dass so viele hart erarbeitete Zusammenfassungen in studentischen Schubläden versauern. Warum also nicht gleich die Arbeit mit dem Vergnügen verbinden und nacheinander die Zusammenfassungen bloggen und mit ein paar eigenen Gedanken versehen? 😉 Und vielleicht hilft das ja dem ein oder anderen Publizistikstudenten oder solche, die es noch werden wollen. Los geht es mit einem echten Klassiker:

Kunczik, Michael; Zipfel, Astrid (2005): Publizistik. 2. Aufl. Köln: Böhlau Verlag. Teil III – JOURNALISMUS; Kapitel 1-5. (S.129-187)

Es geht also um die Journalismusforschung. Das Buch ist schon acht Jahre alt. Bei der Zusammenfassung konzentriere ich mich deshalb ganz bewusst auf allgemeinere Aussagen und weniger auf Studienergebnisse. Der erste Abschnitt beschäftigt sich mit „Journalisten und ihr Berufsfeld“. Dabei stellen Michael Kunczik und Astrid Zipfel fest, dass sich das Wort „Journalismus‘ vom französischem „le jour“ ableitet, was wiederum „der Tag“ meint. Die beiden Autoren diagnostizieren einen Wandel vom „Begabungs- zum Ausbildungs- und Qualifikationsberuf“. Gott sei Dank möchte ich anfügen! Was aber unterscheidet nun eigentlich Öffentlichkeitsarbeit von Journalismus? Leichte Antwort: Public Relations ist die Selbstdarstellung von Institutionen, Unternehmen, Politikern und anderen Persönlichkeiten in der Öffentlichkeit und Journalismus deren Fremddarstellung. (vgl. ebd.: S. 130)

Journalist ist aber nicht gleich Journalist. Denn es gibt neben den fix angestellten Journalisten auch nebenberufliche und freie Journalisten. Nebenberuflich sind Journalisten dann, wenn die journalistischen Tätigkeiten alleine nicht für den Lebensunterhalt sorgen und man noch einem anderen Beruf nachgeht. Die Arbeit der freien Journalisten wird auf Honorarbasis vergütet. Dann gibt es noch so Spielarten wie „Feste Freie“ oder Pauschalisten. Es ist schon lange keine Geheimnis mehr, dass sich der Journalismus derzeit stark verändert. Das liegt vor allem an den Neuen Medien. Es können drei Auswirkungen der Neuen Medien unterschieden werden:

  1. Neue Arbeitsmittel (Google & Co.)
  2. neue Gegenstände der Berichterstattung (z.B. Fachzeitschriften wie e-media oder neue Rubriken in den Zeitungen)
  3. und neue journalistische Produkte. (z.B. e-paper) (vgl. ebd.: S. 134)

In dem Zusammenhang diskutieren die beiden Autoren auch die Frage, ob durch die Neuen Medien die journalistische Funktion des „Gatekeepers“ unnötig wird. Kunczik und Zipfel meinen, dass Journalisten in Zukunft verstärkt die nutzerfreundliche Aufbereitung und Selektion der Information gewährleisten. Stichwörter dazu: Journalisten als „Pfadfinder“, „Navigatoren“ oder „Lotsen“ (vgl. ebd.: S. 134) Ich denke allerdings, dass genau das heute nicht mehr zutrifft. Diese Orientierung schafft Googles Algorithmus oder der „intelligente Schwarm“ besser.

In den Neuen Medien gibt es keine klassische Periodizität mehr, daher werden neue Arbeitsabläufe wie etwa 24/7-besetzte Redaktionen notwendig. Auch neu: Zunehmend sind medienübergreifende Erfahrungen gefragt und es bilden sich neue Berufsprofile. (vgl. ebd.: S. 135f)

Historische Aspekte
Der zweite Abschnitt beschäftigt sich mit der Geschichte des Journalismus. Dieter Paul Baumert (1928) unterscheidet folgende vier Phasen des Journalismus in Deutschland:

  • präjournalistische Phase (ab ca. 1500)
  • korrespondierender Journalismus (16. bis Mitte des 18. Jhdt.)
  • schriftstellerischer Journalismus (Mitte des 18. bis Mitte des 19. Jhdt.)
  • redaktioneller Journalismus (seit Mitte des 19. Jhdt.) (vgl. Kunczik; Zipfel, 2005: S. 137f)

Vorfahren der Journalisten waren demnach die im Mittelalter umher reisenden Sänger, Sendboten sowie Stadtschreiber. Die ersten kontinuierlich schreibenden Journalisten waren Korrespondenten der Fürsten, Reichsstädte und Handelshäuser. Doch die vier Merkmale einer modernen Zeitungen waren damit noch lange nicht erfüllt:

  • Publizität
  • Aktualität
  • Universalität
  • und Periodizität

Zwischen dem 15. und Anfang des 17. Jahrhunderts gab es Einblattdrucke (verschieden Mitteilungen), Neue Zeitungen (zu einem einzelnen großen Ereignis), Flugblätter und Flugschriften. Die ersten regelmäßigen Zeitungen gab es dann im ersten Jahrzehnt des 17. Jahrhunderts. Durch die zunehmende Arbeitsteilung entstanden differenzierte Märkte, die wiederum mittels Anzeigen bedient werden mussten. Der Journalismus Ende des 18. Jahrhunderts war stark von der Aufklärung und der französischen Revolution geprägt. Übrigens wurde auch schon damals die schlechte Bezahlung der Journalisten beklagt. Wobei Untersuchungen sehr wohl zeigen, dass das Journalistengehalt dem anderer bürgerlicher Berufe ebenbürtig war. (vgl. ebd.: S. 139f)

So eine Art Geburtshelfer der Kommunikationswissenschaft war der Soziologe Max Weber, der 1910 beim Ersten Deutschen Soziologentag eine „Soziologie des Zeitungswesens“ forderte. Karl Bücher gründete dann 1916 in Leipzig das erste „Institut der Zeitungskunde“. (vgl. ebd.: S. 141)

Sozialprestige
Der dritte Abschnitt im Einführungsbuch zu Publizistik von Kunczik und Zipfel behandelt das Ansehen der Journalisten. Dieses war schon von jeher negativ oder zumindest ambivalent. Da wurde schon im 19. Jahrhundert über die (angebliche) Geldgier der Verleger und Journalisten geschrieben und in der Neuzeit kennt man ja das Bild des rauchenden und saufenden Journalisten aus Fernsehen und Belletristik. (vgl. ebd. S. 149f)

Journalismus als Profession
Im vierten Abschnitt geht es um den Beruf Journalismus. Der (auch umstrittene) Begriff der Profession wird für einen Beruf verwendet, wenn es sich um

  1. einen Ganztagesberuf handelt,
  2. es dazu eigene Ausbildungen
  3. und Berufsverbände gibt,
  4. ein Berufsmonopol durch den Staat
  5. sowie eine spezifische Berufsethik.

Bis auf Nummer 4 sind alle Merkmale im Journalismus erfüllt. Es gibt zwar in einigen Ländern ein staatliches Berufsmonopol im Journalismus, nicht aber in Deutschland oder Österreich. Auf ein Berufsmonopol wird in Hinblick auf die Meinungs- und Pressefreiheit verzichtet. (vgl. ebd.: S. 152)

Journalismus ist beliebt. Kunczik und Zipfel sehen einen großen Anziehungspunkt für den Journalismus in der autonomen Arbeitsweise. Umfragen zeigen, dass genau das Journalisten an ihrem Beruf schätzen. Und wie wird man nun Journalist? In Österreich führt der Weg in den Journalismus meist (und ich sage fast ausschließlich!) über Volontariate und Praktika. (vgl. ebd.: S. 159)

Nach Esser wirken vier Einflusssphären auf den Journalismus:

  1. Subjektsphäre (Individualebene)
  2. Institutionssphäre (Organisationsebene)
  3. Medienstruktursphäre (rechtlich-normative und ökonomische Ebene)
  4. Gesellschaftssphäre (historisch-kulturelle Ebene)

Die Auffassungen der Journalisten zu ihrem Beruf lässt sich grob in ein Gegensatzpaar teilen: dem neutralen, objektiven Journalismusverständnis versus dem anwaltschaftlichen Journalismusverständnis (Journalismus als vierte Gewalt im Staat). Oder mit anderen Worten beschrieben: Informations- versus Meinungsjournalismus (vgl. Kunczik; Zipfel, 2005: S. 163)

Natürlich können die Journalismusarten noch viel genauer kategorisiert werden:

  • investigativer Journalismus (z.B. Florian Klenk, Kurt Kuch, Ulla Kramar-Schmid und Michael Nikbakshs)
  • Civic Journalism (auch Public Journalism  oder Community Journalism genannt – Einbindungen von Bürgern in das lokale Medium. Ich finde das BezirksBlatt macht das recht gut.)
  • Development Journalism (in Entwicklungsländern)
  • pädagogischer Journalismus
  • Pfadfinder
  • Präzisionsjournalismus (sozialwissenschaftliche Methoden im Journalismus anwenden, Dossier.at macht das hervorragend)
  • New Journalism (z.B. Hunter S. Thompson)
  • literarischer Journalismus
  • Unterhaltungsjournalismus
  • Thesenjournalismus
  • Protokoll- und Verlautbarungsjournalismus (darunter fällt der Journalismus in der DDR) (vgl. ebd.: S. 164ff)

Was noch interessant ist, ist die vergleichsweise geringe Arbeitsteilung und Rollendifferenzierung in deutschen (und österreichischen) Redaktionen. In britischen Redaktionsstuben gibt es etwa

  • Reporter (recherchiert Themen)
  • News Editor (begutachtet die Meldung)
  • Copy Taster (entscheidet welche Meldungen weiterverarbeitet werden)
  • Chief Sub-Editor (entscheidet mit der Chefredaktion, welche Meldungen veröffentlicht werden und wie der Seitenspiegel aussieht)
  • Page Planner macht das Feinlayout
  • Copy Sub-Editor redigiert
  • Revise Sub-Editor überprüft die Arbeit des Copy Sub-Editor
  • der Production Editor prüft auf technische Layoutfehler und inhaltliche Widersprüche
  • der Stone Sub-Editor liest Korrektur
  • und der Chefredakteur kann abschließend noch Korrekturwünsche an den Executive Chef Sub-Editor schicken (vgl. ebd.: S. 181f)

In Deutschland und Österreich erledigt eine Person fast alle der genannten Tätigkeiten. In angelsächsischen Ländern gibt der Journalist also seine Arbeit ab und mit dem Endprodukt hat er meist nicht mehr viel zu tun. Genau das ist in Deutschland und Österreich undenkbar. Da klagt auch ein Journalist seinen Arbeitergeber, wenn unautorisiert in den Text eingegriffen wird.

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