Kommunikationswissenschaft: Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinaren Sozialwissenschaft

Dies ist eine 48-seitige Zusammenfassung des Standardwerkes "Kommunikationswissenschaft: Grundlagen Und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinaren Sozialwissenschaft" von Roland Burkart.

Zusammenfassung des Buches Kommunikationswissenschaft: Grundlagen und Problemfelder. Umrisse einer interdisziplinaren Sozialwissenschaft von Universitätsprofessor Dr. Dr. Roland Burkart.

Diese Buch wird von Wiener Publizistikstudenten auch gerne als „Burkartbibel“ bezeichnet, weil es DAS Werk zur Lehre in Kommunikationswissenschaft an der Universität Wien war. Die hier präsentierte Zusammenfassung entstand während meines ersten Semesters (Wintersemester 2007) an der Uni.

Da es eine Einführung in die Wissenschaft und sich stark mit Theorie beschäftigt, sind die meisten Inhalte langfristig aktuell. Diese Zusammenfassung bietet sich auch für alle jene an, die Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studieren möchten, aber bisher nicht wissen, was sie im Studium inhaltlich erwartet.

1. Einleitung

Zweites Kapitel

2. Kommunikation zur Klärung eines Begriffes

2.1. Kommunikation als soziales Verhalten

2.2. Menschliche Kommunikation als soziales Handeln

2.3. Kommunikation als soziale Interaktion

2.4. Kommunikation als vermittelter Prozess

2.4.1. Der Begriff „Medium“

2.5. Menschliche Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion

2.6. Symbolisch vermittelte Interaktion als human-spezifische Kommunikationsmodalität

2.7. Feedback: Eine Erfolgskontrolle kommunikativen Handelns

2.7.1. Massenkommunikation und Feedback

2.7.1. Das Kommunikationsmedium Sprache

Drittes Kapitel

3. Das Kommunikationsmedium Sprache

3.1. Zum Problem sprachlicher Verständigung

3.2. Sprachbarrieren

3.3. Verständigungsrelevante Besonderheiten der menschliche Sprache

3.3.1. Die verallgemeinernde Kraft der Sprache

3.3.2. Sprache und Realität

3.3.2.1. Sprachliche Relativität

3.3.2.2. Sprache und soziale Umwelt

3.3.3. Sprachliche Reflexivität

3.4. Zur Diagnose sprachlicher Kommunikationsstörungen

3.4.1. Zum Missverstehen sprachlicher Symbole

3.4.2. Zum Missverstehen sprachlicher Handlungen

3.4.3. Sprachliche Kommunikation: Ein Modell ihrer Implikationen und deren Konsequenzen

3.4.4. Das Nachrichtenquadrat

3.5. Exkurs: Wissenschaftssprache

Viertes Kapitel

4. Kommunikation und menschliche Existenz

4.1. Kommunikation als anthropologische Grundkonstante

4.2. Sozialisation und Kommunikation

4.2.1. Sozialisationstheoretische Positionen

4.2.2. Exkurs: Zum Begriff der sozialen Rolle

4.2.3. Sozialisation als symbolisch-interaktionisches Geschehen

4.2.3.1. Selbst-Genese und Kommunikation

Fünftes Kapitel

5. Massenkommunikation

5.1. Massenkommunikation: Zur Klärung eines Begriffes

5.2. Zur Bedeutung der Massenkommunikation für Mensch und Gesellschaft

5.2.1. Kommunikation und Gesellschaft

5.3. Wirkungen der Massenmedien

5.3.1. Zur Genese der massenkommunikativen Wirkungsforschung

5.3.2. Psychologisch orientierte Wirkungsforschung

5.3.2.1. Die Arbeiten der Hovland-Gruppe

5.3.2.2. Konsistenztheoretische Ansätze

5.3.3. Soziologisch orientierte Wirkungsforschung

5.3.4. Sind die Massenmedien wirkungslos?

5.3.5. Nutzung der Massenmedien

5.3.5.1. Der Nutzenansatz in der Massenkommunikationsforschung

5.3.5.2. Publikumsforschung als Gratifikationsforschung

5.3.5.3. Publikumsforschung als Kontaktmessung

5.3.6. Der dynamisch–transaktionale Ansatz

5.3.7. Die Agenda-Setting Hypothese

5.3.8. Die These von der wachsenden Wissenskluft

5.3.9. Die Schweigespirale

5.4. Strukturen der modernen Massenkommunikationsgesellschaft

5.4.1. Realität als mediale Konstruktion

5.4.2. Realitätsinszenierung in der Massenkommunikationsgesellschaft

5.4.3. Öffentlichkeitsarbeit und Medien

5.4.4. Resümee – oder: Zuflucht beim Konstruktivismus

5.5. Das Fernsehen – Ein Jahrhundertmedium

5.5.1. Fernsehen als gesamtgesellschaftliches Phänomen

5.5.2. Fernsehen und Realität

5.5.3. Die Kultivierungsthese

5.5.4. Fernsehen und Gewalt

5.5.5. Fernsehen und Bildung

5.5.6. Fernsehen und Lesen

5.5.7. Fernsehen und Familie

5.5.8. Die Zerstückelung des Fernsehens

5.5.9. Vielkanalfernsehen, Politik und Videomalaise

5.5.10. Multimedia, Internet und die Zukunft des Fernsehens

5.6. Funktionen der Massenmedien

5.6.1. Soziale Funktionen

5.6.2. Politische Funktionen

5.6.3. Ökonomische Funktionen

5.6.4. Informationsfunktion

Sechstes Kapitel

6. Kommunikationswissenschaft als interdisziplinäre Sozialwissenschaft

6.1. Exkurs: Zur Besonderheit wissenschaftlichen Wissens

6.2. Kommunikationstheoretische Ansätze: Eine Systematik

6.3. Allgemeine Theorieperspektiven von Kommunikation

6.3.1. Kommunikation als Signalübertragung

6.3.2. Kommunikation als Interaktion

6.3.2.1. Der Symbolische Interaktionismus

6.3.2.2. Die Theorie des kommunikativen Handelns

6.3.3. Kommunikation in der Gesellschaft

6.3.3.1. Der historische Materialismus

6.3.3.2. Die Systemtheorie

6.4. Ziele von Kommunikation

6.4.1. Beeinflussung durch Kommunikation

6.4.2. Emanzipation durch Kommunikation

6.4.3. Therapie durch Kommunikation

6.5. Modelltheoretische Ansätze zur Massenkommunikation

6.5.1. Deskriptive Modelle des Massenkommunikationsprozesses

6.5.1.1. Die Lasswell-Formel

6.5.1.2. Das Westley/MacLean Modell

6.5.1.3. Das Riley/Riley Modell

6.5.1.4. Das Feldschema von Maletzke

6.5.1.5. Das Modell elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation

6.5.1.6. Das materialische Modell von Hund

6.5.2. Zielorientierte Ansätze zum Massenkommunikationsprozess

6.5.2.1. Ansätze zu einer Theorie massenkommunikativer Beeinflussung

6.5.2.2. Emanzipatorische Ansätze Massenkommunikation

6.5.2.2.1. Der medienkritische Ansatz von Enzenberger

6.5.2.2.2. Der demokratiekritische Ansatz von Geissler

6.3.2.2.3. Der verständigungsorientierte Ansatz nach Habermas

Siebtes Kapitel

7. Der Objektbereich einer sozialwissenschaftlich orientierten Publizistik und Kommunikationswissenschaft/

7.1. Kommunikation als sozialwissenschaftliche Kategorie

7.2. Resümee: Zum Sinn des vorliegenden Orientierungsrahmens

1. Einleitung

Das Buch ist ein Schritt auf dem Weg zu einem Selbstverständnis der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft. Es knüpft an die Tradition des Faches insofern an, als es „massenmedial vermittelte“ und damit „öffentliche Kommunikation“ zum zentralen Problemfeld erhebt.

2. Kommunikation: Zur Klärung eines Begriffes

Gerhard Maletzke beschreibt Kommunikation als die „Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen“.

2.1. Kommunikation als soziales Verhalten

Mit dem Terminus Verhalten wird jede Regung eines Organismus bezeichnet. Soziales Verhalten meint bereits den Umstand, dass sich Lebewesen im Hinblick aufeinander verhalten. Werden nun im Rahmen solcher sozialer Verhaltensweisen auch Bedeutungen vermittelt, dann besitzen diese Verhaltensweisen auch kommunikativen Charakter. Verhalten überhaupt scheint sich damit in weiten Teilen als „kommunikativ“ zu erweisen (nicht bei einem schlafenden Individuum). Menschliches Verhalten kann nämlich bewusst und zielgerichtet („intentional“) ablaufen; gerade der Mensch kann sich in seinem Verhalten ausdrücklich auf etwas beziehen bzw. etwas bewusst anstreben: der Mensch kann sich also nicht bloß verhalten, er kann auch „handeln“. Man kann sich nicht verhalten. Man kann nicht nicht kommunizieren.

  • Soziales Verhalten: Lebewesen verhalten sich im Hinblick aufeinander.
  • Handeln: intentionales Verhalten, welches bewusst oder absichtsvoll auf ein Ziel ausgerichtet ist. Ist der Mittel zum Zweck.
  • bloßes Handel: Beispiel dafür ist, dass man bei Regen den Regenschirm aufspannt.
  • sozialen Handel: ist unser Handeln in seinem Ablauf nun auch noch an anderen Menschen orientiert, dann spricht man davon. Ein Beispiel dafür ist der Geldwechsel.

2.2. Menschliche Kommunikation als soziales Handeln

Ein „kommunizierender“ Mensch ist einer, der etwas im Hinblick auf einen anderen Menschen tut – er handelt also „zutiefst“ sozial.

Die kommunikativen Interessen sind der Anlass jeglicher Kommunikationsversuche, es ist wichtig zu wissen, dass diese Kommunikations-Interessen zwei grundsätzlich unterscheidbare Dimensionen kommunikativen Handelns zuordenbar sind und daher auch unterschiedlich „gewichtet“ sein können:

  • Inhaltsbezogen (z.B. Fenster schließen)
  • Situationsbezogen (Smalltalk, ohne dass man eigentlich die Absicht verfolgt, etwas Bestimmtes mitzuteilen)

Konkrete Ziele (= jeweils spezielle Interessen), die über kommunikatives Handeln realisiert werden wollen, erst dann eine Chance auf Verwirklichung besitzen, wenn der kommunikativ Handelnde auch das konstante Ziel jedes kommunikativen Handelns verfolgt: Verständigung zwischen sich und seinem Kommunikationspartner. Kommunikatives Handeln ist noch nicht Kommunikation. Kommunikatives Handeln ist zwar eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für das Zustandekommen bzw. Ablaufen eines Kommunikationsprozesses.
22.3. Kommunikation als soziale Interaktion

2.3. KOMMUNIKATION ALS SOZIALE INTERAKTION

Kommunikation ist ein Prozess der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen. Damit ist implizit darauf hingewiesen, dass es sich dabei um ein Geschehen handelt. Kommunikation ist nicht etwas statisches, das schlicht vorhanden ist, sondern ein dynamischer Vorgang, der zwischen zwei (mindestens zwei) Lebewesen abläuft, der sich also ereignen muss.

Es soll unter Sozialer Interaktion ein wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehrere  Lebewesen verstanden werden, welches mit einer Kontaktaufnahme (aufgrund von/oder verbunden mit wechselseitiger Wahrnehmung) beginnt und zu (Re-)Aktionen der in Kontakt stehenden Lebewesen führt. Indem sich diese Aktionen/Reaktionen auf den/die an diesem Kontakt Beteiligten richten, sind sie ihrerseits wieder als soziales Verhalten zu klassifizieren. Dieses doppelseitige Geschehen ist das zentral Bedeutsame an jedem Interaktionsprozess:

Jedes Individuum erfährt Einwirkungen vom anderen oder von den anderen, und zugleich gehen von ihm selbst Wirkungen auf den anderen oder die anderen aus.

Mit Interaktion  bezeichnen wir das Insgesamt dessen, was zwischen zwei oder mehr Menschen in Aktion und Reaktion geschieht. Es liegt soziale Interaktion vor (Menschen die treten in Beziehung zueinander) sowohl in einer dichten Menschenmenge (hier gibt es keinen bestimmten Zweck der Interaktion, man will nichts der andere bedeuten) als auch in eine Übermittlung einer Email (hier handelt man sozial bzw. kommunikativ).

Menschliche Kommunikation liegt daher erst dann vor, wenn (mindestens zwei) Individuen ihre kommunikativen Handlungen nicht nur wechselseitig aufeinander richten, sondern darüber hinaus auch die allgemeine Intention ihrer Handlungen (= Bedeutungsinhalte miteinander teilen wollen) verwirklichen können und damit das konstante Ziel (Verständigung) jeder ´kommunikativen Aktivität erreichen. Wird dieses Ziel nicht erreicht, dann soll auch nicht von Kommunikation gesprochen werden. Erst der wechselseitig stattfindende Prozess der Bedeutungsvermittlung soll als Kommunikation begriffen werden. Es muss Reziprozität vorhanden sein.

Das dargestellte Schema soll eine Sequenz eines derartigen Verständigungsprozesses verdeutlichen: A und B verfolgen dieselbe allgemeine Intention(=sie wollen Bedeutungsinhalte miteinander Teilen) und erreichen dadurch das ihnen gemeinsame (= das konstante, jedes Kommunikationsprozess kennzeichnende) Ziel: Verständigung über die miteinander zu teilenden Inhalte.

2.4. Kommunikation als vermittelter Prozess

Es ist klar, dass Kommunikation bzw. Kommunikatives Handeln stets einer Instanz bedarf, über die das zwischen den Kommunikationspartnern Geschehende abläuft. Als eigentlicher Träger der jeweiligen Mitteilung ist eine derartige Vermittlungsinstanz: ein Medium (unbedingter Bestandteil eines jeden Kommunikationsprozesses). Das Medium ist das Ausdrucksmittel der kommunikativen Aktivität. Erst mit seiner Hilfe wird es überhaupt möglich, dass Bedeutungen „mit(einander) geteilt“ werden können.

Damit mindestens zwei Lebewesen miteinander kommunizieren können, mussen sie also über irgendwelche Ausdrucksmittel verfügen. Eine Mitteilung kann als solche ja überhaupt erst entstehen, wenn Mittel vorhanden sind, mit deren Hilfe Bedeutungsinhalte Gestalt annehmen können. Auf den ersten Blick sind Medien daher simpel als Transportmittel zu begreifen (diese Vorstellung wird heute kritisch als „Container Metapher“ etikettiert). Im Gegenteil: Kommunikation wird heute als „Aktualisierung von Sinn“, also ein Prozess indem Bedeutungsinhalte im Bewusstsein der jeweiligen Kommunikationspartner wachgerufen werden.

Pross hat versucht die mediale Vielfalt menschlicher Kommunikation zu differenzieren, er unterschiede Medien:

  1. Primäre Medien
    Der Körperhaltung. Alle Ausdrucksmöglichkeiten durch den Körper.
  2. Sekundäre Medien
    All jene Medien, die auf der Produktionsseite ein Gerät erfordern; Rauchzeichnen, Plakat, Zeitung, Buch.
  3. Tertiäre Medien
    All jene Kommunikationsmittel, zu denen technische Sender und technische Empfänger gehören, sie könnten ohne Geräte nicht funktionieren; Telefon, Film, Fernseher. Die technische Entwicklung hat die Konvergenz das Zusammenwachsen von Telekommunikation, Computer und Rundfunk gefördert. Als Konsequenz daraus können Medien immer weniger über Eigenschaften bestimmter Geräte definiert werden, sondern eher über die Dienste für die man sie in Anspruch nimmt.
  4. Quartäre Medien
    Sie beruhen auf der Technik der Digitalisierung und setzen Computer mit Online-Verbindung voraus.

Die jeweiligen Kommunikationsmittel bestimmen auch die Form in der dies geschieht; eine Mitteilung kann gesprochen, geschrieben, gedeutet, gezeichnet werden; sie kann darüber hinaus aber auch via Druck oder Funk Verbreitung finden. Schließlich machen es die einzelne Medien (wenn man über sie verfügen kann) aber auch möglich, dass eine mehr oder weniger große Anzahl von Ausdrucksformen existiert, durch welche vielerlei Bedeutungsinhalte die Chance erhalten, manifest und damit sinnlich wahrnehmbar zu werden.

2.4.1. Der Begriff „Medium“

Medien sind materielle oder energetische (elektrische, elektronische, opto-elektronische) Träger und Übermittler von Daten bzw. Informationseinheiten. Erst aus der Vergesellschaftung wird aus der Technik ein publizistisches Medium und zwar dann, „wenn sie über die Funktion eines technischen Vermittlungssystems hinaus in einen spezifischen institutionalisierten Handlungskontext eingebunden sind.“ Wenn wir Medien bloß als Apparate, Kanäle oder Leitungen begreifen, können wir nicht erfassen, was da vorgeht, wenn sich Publizistik oder Massenkommunikation, unter Mitwirkung von Internet, in und mit einer sozialen Umwelt ereignen.

Institutionalisierung ist die Art und Weise, wie Gesellschaften die Medien in ihren Dienst nehmen. Medien sind Kommunikationskanäle, die bestimmte Zeichensysteme (auditive, visuelle, audiovisuelle) transportieren. Unter diesem Aspekt ist zu beachten, dass alles technologisch Machbare auch von der Medienwirtschaft verwirklicht und vom Publikum akzeptiert wird. Bei Medien handelt es sich zumeist um Organisationen, die bedeutungsvolle Leistungen und Funktionen für die Gesellschaft bzw. ihre jeweilige Zielgruppe erbringen. Da die moderne Gesellschaft auf die Existenz von Massenmedien angewiesen ist, werden Medien in das jeweilige gesellschaftliche Regelsystem eingefügt und damit institutionalisiert. Es gibt autoritäre, liberale, totalitäre und demokratisch kontrollierte Institutionalisierung.

Medien sind komplexe institutionalisierte Systeme um organisierte Kommunikationskanäle von spezifischem Leistungsvermögen. Nicht jeder Kommunikationskanal, mit dem irgendwelche Signale gesendet werden, ist schon als Medium im publizistikwissenschaftlichem Sinn zu klassifizieren.

Medien erster Ordnung: Als Infrastruktur klassifizierte Vermittlungs- und Speichertechniken (Telefon, TV, Radiokanäle, Internet)
Medien zweiter Ordnung: Institutionalisierte Kommunikatoren, die diese technischen Mittel zur Herstellung und Verbreitung von Inhalten benützen, wenn also diese Vermittlungstechniken zur Selektion, Strukturierung und Präsentation von Aussagen im Hinblick auf ein Publikum eingesetzt werden.
Charakteristikum der menschlichen Kommunikation ist die Art und Weise des Gebrauchs der verschiedenen Vermittlungsinstanzen, welches die Voraussetzung für die Vielfalt menschlicher Kommunikationsmodalitäten darstellt durch den Symbol-Charakter der menschlichen Kommunikation.  

2.5. Menschliche Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion

Der Kommunikationsprozess ist immer auch ein Zeichenprozess. Ein Zeichen deutet auf etwas hin, das von ihm selbst verschieden ist. Es gibt zwei Klassen von Zeichen nach ihrem Verhältnis zur Realität:

  1. Natürliche Zeichen: Sind nicht zum Zweck der Kommunikation entstanden, sondern existieren als natürliche Prozesse. Sie werden von dem Objekt kausal verursacht. Sie sind Anzeichen, Kennzeichen oder Symptome. (brennendes Feuer => Rauch)
  2. künstliche Zeichen: alle materielle Erscheinungen die zum Zweck der Kommunikation entstanden sind. Ihre Bedeutung ist das Resultat einer sozialen Übereinkunft, sprich einer Vereinbarung zwischen Menschen.

Nach ihrer Funktion, gibt es zwei Klassen von Zeichnen:

  1. Signalfunktion: Signale sind Zeichen zu etwas. Sie sind materielle Erscheinungen, die dem Zweck dienen, eine bestimmte Reaktion auszulösen. Diese Reaktion kann durch eine Vereinbarung zwischen Menschen vorherbestimmt worden sein (etwa ein Handzeichnen vom Verkehrspolizisten); sie kann aber auch wie etwa bei Tieren instinktiv angelegt oder durch Lernprozesse bedingt (= konditioniert) sein.
  2. Symbolfunktion: Als Symbol tritt ein Zeichen auf, wenn es eine Vertretungsfunktion erfüllt. (z.B. sprachliche Zeichen) Erst im Rahmen der menschlichen Kommunikation eröffnet sich die Möglichkeit, Zeichen als Symbole einzusetzen. Nur der Mensch ist dazu in der Lage, auf Zeichnen nicht mehr bloß zu reagieren, sondern auch zu verstehen. Für den menschlichen Kommunikationsprozess ist die Vertretungsfunktion der Symbole von Bedeutung: Menschen können über Objekte verfügen ohne dass diese im jeweiligen Augenblick auch tatsächlich präsent sind. Der Mensch kann  auch via Symbolbildung abstrakte Vorstellungen in sein Bewusstsein rufen wie etwa Freiheit oder Liebe. Der Bedeutungsgehalt eines Symbols hängt mit der jeweils gemachten Erfahrung des Benutzers zusammen. Die Bedeutung eines Symbols ist immer von jeweiligen raum-zeitlichen Kontext (mit-)bestimmt.
    1. Symbolischer Interaktionismus: Der Mensch lebt nicht nur in einer natürlichen sondern auch in einer symbolischen Umwelt. Die Dinge und deren Bezeichnungen repräsentieren gewissermaßen das jeweilige Verhältnis Mensch-Umwelt; sie symbolisieren für den jeweiligen Menschen die subjektive Wirklichkeit seiner gemachten Erfahrungen. Das heißt:
      • Menschen handeln Dingen gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen, die diese Dinge für sie besitzen.
      • Die Bedeutung dieser Dinge entsteht aus sozialen Interaktionen.
      • Diese Bedeutungen werden im Rahmen der Auseinandersetzung mit diesen Dingen in einem interpretativen Prozess benützt und auch abgeändert.
      • Es gibt kein Ding an sich, sondern vielmehr ein Ding für mich. Wenn Menschen kommunikativ handeln, ist das eine symbolisch vermittelte Beziehung. Die vermittelte Interaktion ist nur dann erfolgreich, wenn die Kommunikationspartner auch das konstante Ziel ihrer kommunikativen Handlungen erreichen: Eine Verständigung über die jeweils zu vermittelnden Bedeutungen. Diese Verständigung kommt jedoch nur dann zustande, wenn im Bewusstsein beider Kommunikationspartner dieselben Bedeutungen aktualisiert werden.
    2. Signifikantes Symbol: Dabei handelt es sich um ein Zeichen, das eine dahinter stehende Idee ausdrückt und diese Idee auch beim Kommunikationspartner auslöst. Kommunikation kann auch verstanden werden als „gemeinsame Aktualisierung von Sinn“. Wenn Symbole nicht bloß einen Gegenstand sondern auch eine Beziehung und damit eine subjektiv erfahrene Wirklichkeit aktualisieren, dann symbolisieren sie bei verschiedenen Menschen stets Unterschiedliches. Jeder Mensch hat seine Symbole aus subjektiven Erlebnissen und Erfahrungen gebildet, wobei Sozialisationsmechanismen für Ähnlichkeiten in der Erfahrungs- und Denkwelt einer Gesellschaft sorgen.
    3. Es ist klar, dass verschiedene Erlebnisdimensionen derselben (natürlichen) Realität existieren. Erlebnisdimension meint die Qualität der persönlichen Erfahrung, die im Umgang mit einem Gegenstand der Realität gewonnen wurde und die sich schließlich  zu einer subjektiven Bedeutung ebendieses Gegenstandes verfestigt. Bedeutung kann in diesem Sinn als die Summe aller Erfahrungsqualitäten einer Form mental gespeichert Erlebnisdimensionen aufgefasst werden. Nur wenn wenigstens Teile dieser gespeicherten Erlebnisdimensionen bei beiden Kommunikationspartnern vorhanden sind, kann Kommunikation gelingen bzw. Verständigung zustande kommen.

2.6. Symbolisch vermittelte Interaktion als human-spezifische Kommunikationsmodalität

Kommunikation wurde zuallererst als ein grundsätzlich soziales Phänomen erkannt. Mit dem Attribut „sozial“ gerieten alle jene Verhaltensweisen in den Blick, die Lebewesen im Hinblick aufeinander verrichten. Die Tatsache, dass es dem Menschen möglich ist mit seinem Handeln ganz bewusst Ziele zu verfolgen, ihm also Sinn zu geben, hat zur Einsicht verholfen, dass auch kommunikatives Handeln ein Mittel zum Zweck ist.

Kommunikatives Handeln: Die Intention ist, etwas mitteilen zu wollen und verfolgt das konstante Ziel der Verständigung. Eine spezielle Intention impliziert spezifische Kommunikationsinteressen. Kommunikative Interaktion benötigt aber auch ein Ausdrucksmittel für die jeweilige kommunikative Aktivität. Medien sind eine unbedingte Voraussetzung für kommunikatives Verhalten.

Kommunikation kann auch als Zeichenprozess betrachtet werden. Menschen sind dazu in der Lage, Zeichen stellvertretend für etwas (Gemeintes) zu verwenden; Zeichen, die eine derartige Repräsentationsfunktion erfüllen, werde Symbole genannt. Menschliche Kommunikation ist eine symbolisch vermittelte Interaktion. Es gibt vier Faktoren, die das Fundament jedes kommunikativen Ablaufs sind:

  1. KOMMUNIKATOR (Quelle, Sender, Produzent, Adressant): Jemand, der etwas mitteilen will.
  2. AUSSAGE: Die mitzuteilenden Bedeutungsinhalte.
  3. MEDIUM: Instanz, mit deren Hilfe der mitzuteilende Inhalt transportabel wird.
  4. REZIPIENT (Empfänger, Konsument, Adressat): Jemand, an den die Botschaft gerichtet ist.

Kommunikation ist, wenn mindestens zwei Menschen im Rahmen ihrer kommunikativen Interaktion „Verständigung“ herstellen können. Damit ist das Prinzip der Doppelseitigkeit oder Reziprozität angesprochen.

2.7. Feedback: Eine Erfolgskontrolle kommunikativen Handelns

Diese implizite Reziprozität lässt sich auf ein System übertragen. Ein System meint bestimmte Dinge oder Sachverhalte, die miteinander verbunden sind. Diese Dinge oder Sachverhalte, die „Elemente“ des Systems, tragen zum Erreichen eines Zieles bei.

Das INPUT-OUTPUT-MODELL geht davon aus, dass Systeme mit ihrer Umwelt auf ganz bestimmte Weise in Verbindung stehen. Sie nehmen Leistungen aus der Umwelt in Form von Inputs auf und werden dadurch von dieser beeinflusst, sie geben aber ihrerseits auch Leistungen an diese Umwelt in Form von Outputs ab und beeinflussen dadurch ihre Umwelt. Das Entscheidende dabei ist nun, dass ein Teil des Outputs des Systems wieder als Input in ebendieses System zurückwirkt. Dieser Vorgang, der auch als Feedback (Rückkoppelung, Rückmeldung, Rücksteuerung) bezeichnet wird, beschreibt somit einen kreisförmigen Prozess.

Verständigung ist das allgemeine Ziel, das ein Mensch nun mit seinen kommunikativen Handlungen verfolgt. Wird dies versucht, so treten daher – systemtheoretisch gesprochen – zwei Handlungssysteme zueinander in Beziehung. Diese beiden Handlungssysteme stehen mit ihrer Umwelt in Verbindung, indem sie Leistungen aus diesen erhalten (Inputs) und auch wieder Leistungen an diese abgeben (Outputs). Der Feedback-Prozess, der ein System mit seiner Umwelt verbindet, verbindet in diesem Fall die beiden Handlungssysteme direkt miteinander: Der „Output“ des einen Handlungssystems wird zum „Input“ des anderen und umgekehrt. Da die kommunikativen Handlungen beider Systeme auf das gemeinsame Ziel der Verständigung ausgerichtet sind, erscheint der Feedback-Prozess als Kontrolle und Steuerung des angestrebten Erfolg der Verständigung. Durch das Feedback erhält der Kommunikator Hinweise auf die „Verstehensleistung“ des Rezipienten. Das Feedback gibt Auskunft über den Erfolg des kommunikativen Handels des Kommunikators und damit über den Grad der erreichten Verständigung zwischen den Kommunikationspartnern. Der diesbezüglich diagnostizierte Erfolg oder Misserfolg korrigiert dann das neuerliche kommunikative Handeln des Kommunikators. In der kommunikativen Interaktion zwischen Menschen kann zu diesem Feedback alles zählen, was an Output des Handlungssystems Rezipient manifest ist.

Gerade für die Kommunikation von Angesicht zu Angesicht ist es charakteristisch, dass die Partner ihre Rollen als Aussagende und Empfangende ständig wechseln, von der Verstehenshandlung in die Mitteilungshandlung. Durch diesen laufenden Rollenwechsel ist zugleich auch die Funktion des Feedbacks erfüllt. Maletzke bezeichnet diesen Vorgang als gegenseitige Kommunikation im Unterschied zur einseitigen Kommunikation wie etwa bei einem Vortrag.

2.7.1. Massenkommunikation und Feedback

In der Massenkommunikation lassen sich zwei Formen von Feedback unterschieden:

  1. Direktes Feedback: Das ist die gewollte und meist spontane Rückmeldung von Rezipienten an die Kommunikatoren (Leserbriefe, Emails, Telefonanrufe, Kritik).
  2. Indirektes Feedback: Antizipation der Rezipientenrolle durch den Journalisten und die Untersuchungen im Rahmen von Publikumsforschung (Mediaanalysen, Leser-, Hörer- und Zuschauerforschung).

Die Vorstellung eines echten Dialoges im Sinne einer Wechselseitigkeit bleibt aber illusionär, selbst wenn der direkte Kontakt zwischen einem professionellen Kommunikator und einem Rezipient zustande kommt. Mit der Vorstellung vom Feedback im Massenkommunikationsprozess wird der Blick aber noch auf ein ganz anderes Phänomen gerichtet: Schon die Übertragung oder Aufzeichnung eines Ereignisses, etwa durch das Fernsehen, verändert das Ereignis selbst. Wir sprechen dann von „mediatisierte“ Ereignisse. Es stellt sich die Frage nach der Qualität der Wirklichkeit, über die berichtet wird, und auch die Frage, ob und inwieweit es sich bei Massenkommunikation um einen Kommunikationsprozess im bislang definierten Sinn handelt.

3. Das Kommunikationsmedium Sprache

Die Sprache ist das für den Menschen allein typische und am höchsten entwickelte Kommunikationsmittel, die dazu dient, Inhalte unseres Bewusstseins anderen Menschen zugänglich zu machen. Ihre kommunikative Funktion umfasst jene Leistungen, die sie im Hinblick auf das Zustandekommen der Verständigung erbringt.

3.1. Zum Problem sprachlicher Verständigung

Verständigung liegt vor, wenn der Rezipient eine ihm mitgeteilte Aussage so versteht, wie sie vom Kommunikator gemeint ist. Die Bedeutung einer Äußerung wird erst dann erkennbar, wen man weiß, was der Sprecher mit den sprachlichen Zahlen eigentlich tut, also wozu er die geäußerten Worte tatsächlich benutzt.

Die Sprechakttheorie  (von Austin) geht davon aus, dass das Sprechen eine Form des menschlichen Handelns darstellt. Eine Sprache sprechen bedeutet, Sprechakte auszuführen. Sprechakte sind die grundlegenden oder kleinsten Einheiten der sprachlichen Kommunikation. Das Verstehen einer sprachlich vermittelten Aussage hängt sowohl vom Erkennen des Bedeutungsgehaltes der sprachlichen Zeichen als auch von einer kommunikatorgerechten Interpretation der gesetzten Sprechakte ab. Eine Verständigung zwischen Sprecher und Hörer erfordert also eine Begegnung auf zwei Ebenen der Kommunikation. Sprachliche Äußerungen dürfen nicht als isolierte Geschehnisse betracht werden, sondern sind in der Regel Bestandteile konkreter sozialer Prozesse in denen Menschen zueinander in Beziehung treten.

Verständigung kommt nur zustande wenn beide Kommunikationspartner im Moment der Kommunikation sowohl die sprachlichen Zeichenkombinationen als auch die gesetzten sprachlichen Handlungen (wenigstens annäherungsweise) identisch interpretieren.

3.2. Sprachbarrieren

Sprachbarrieren haben entweder ein Nichtverstehen oder ein Missverstehen des Kommunikationspartners zur Folge.

Gegenständliche Ebene

Nichtverstehen: Wenn Sprecher und Hörer über unterschiedliche sprachliche Zeichenvorräte verfügen. In diesem Fall verwendet der Sprecher Wörter, die der Hörer nicht kennt.

Missverstehen: Wenn beide Kommunikationspartner unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern verbinden. Der Hörer ist nicht in der Lage, den Wörtern im vorliegenden spezifischen Kontext die vom Sprecher gemeinte Bedeutung zuzuordnen.

Intersubjektive Ebene

Nichtverstehen: Wenn sprachliche Äußerungen gar nicht als solche erkannt werden. Beispielsweise, Schriftzeichen von andere Kulturen.

Missverstehen: Wenn die beiden Kommunikationspartner die Sprache unterschiedlich interpretieren. Es handelt sich um Differenzen im Bereich der pragmatischen Zeichendimensionen zwischen Sprecher und Hörer.

Sprache kann ihre kommunikative Funktion nicht erfüllen, wenn:

  • der Sprecher Zeichnen verwendet, über deren semantisches Gehalt der Hörer nicht verfügt. Dies giltinterkulturell (Fremdsprache) und intrakulturell (Fach- und Sondersprachen).
  • die Voraussetzungen fehlen, eine sprachliche Manifestation als solche zu erkennen (intersubjektive Ebene), sei dies aus mangelndem Wissen heraus (andere Kulturkreis) oder infolge eines physischen Gebrechens (Störung des Rezeptionskanals).

3.3. Verständigungsrelevante Besonderheiten der menschliche Sprache

3.3.1. Die verallgemeinernde Kraft der Sprache

„Das sprachliche Zeichen umfasst sowohl das konkrete Exemplar als auch seine Abstraktion in der Klassifizierung, in der es den Gegenstand von seinen konkreten Erscheinungsformen löst und so zum Gegenstand geistiger Tätigkeiten machen kann.“

Begriffe sind Vorstellungen von der Realität die aus der Summe individueller Erfahrungen mit dieser Realität verallgemeinert worden sind, es ist möglich, dieses Begriffssystem erweitern zu können. Die Bedeutungen von Umweltobjekten sind „Soziale Produkte“. Ein Kind mit dem Akt seiner Geburt wird in einen bestimmten existenten Satz von sozialen Beziehungen hineingeboren.

Infolge der verallgemeinernden Kraft der Sprache drücken Wörter Begriffe aus, die ihre Wurzel in den individuellen Erfahrungen der jeweiligen Sprachbenützer besitzen. Wir können daher sprachliche Zeichen nicht bloß zu Objekte der Realität raum- und zeitunabhängig zum Gegenstand unserer geistigen Tätigkeit machen. Vielmehr müssen wir mit Wörtern immer auch Begriffe rekurrieren, die als mehr oder weniger individuell verallgemeinerte Umwelterfahrungen Bestandteil unseres Bewusstseins sind.

3.3.2. Sprache und Realität

Diese Umgebung ist keine Reproduktion oder Reflexion der Außenwelt sondern eine Rekonstruktion der Welt im Sinne der Erfordernisse der menschlichen Lebensführung. Dieser Umstand verweist auf zwei semantische Grundpostulate:

  • Postulat der Nicht Identität: Das Wort ist nicht die Sache die es bezeichnet (Unterschied zwischen Sprache und Realität).
  • Postulat der Unvollständigkeit: das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze.
3.3.2.1. Sprachliche Relativität

Sprache determiniert das Wahrnehmen der (Um-)Welt. Indem der Mensch gezwungen ist, die Realität durch das (symbolische) Filter seiner Sprache zu sehen, kann er nur in jenen Kategorien wahrnehmen und denken, die ihm seine Sprachgemeinschaft anbietet. Er kann „nur die Erfahrungen machen, für die seine Sprache die Begriffe bereithält“. Jede Sprache ist ein riesiges Struktursystem, in dem die Formen und Kategorien kulturell vorbestimmt sind, aufgrund deren der einzelne sich nicht nur mitteilt, sondern die Natur aufgliedert, Phänomene und Zusammenhänge bemerkt oder übersieht, sein Nachdenken kanalisiert und das Gehäuse seines Bewusstseins baut.

Das linguistische Relativitätsprinzip besagt, dass nicht alle Beobachter durch die gleichen physikalischen Sachverhalte zu einem gleichen Weltbild geführt werden, es sei denn, ihre linguistischen Hintergründe sind ähnlich oder können in irgendeiner Weise auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Im Zuge neuer Erfahrungen auf den einzelnen Gebieten wurden neue Begrifflichkeiten ausgebildet, die schließlich in neue Wortschöpfungen mündeten.

3.3.2.2. Sprache und soziale Umwelt

Zusammenhänge zwischen Sprache und sozialer Umwelt sind Gegenstand der Soziolinguistik. Der Sprache sowie der Sprachgebrauch innerhalb einer Gesellschaft ist von der sozialen Schicht abhängig. Es gibt zwei Sprachvarianten: Elaborierten Code (die sprachliche Repräsentation komplizierter Bedeutungsstrukturen) sowie restringierten Code (Dieser Code verfügt über einen nur geringen Wortschatz).

3.3.3. Sprachliche Reflexivität

Eine Besonderheit der menschlichen Sprache besteht in ihrer „Selbstreflexivität“. Man kann mit Sprache über Sprache sprechen.

  • Objektsprache. Diese Sätze beziehen sich in ihrer Aussage auf etwas Außersprachliches.
  • Metasprache. Diese Sätze beziehen sich auf die Sprache selbst.Wenn ein kommunikatives Missverständnis entsteht, kann eine „Metakommunikation“ gestartet werden. Es ist Kommunikation über die bereits stattgefundene oder soeben stattfindende Kommunikation. Man kann Metakommunikation nutzen, um Verständigung herbeizuführen Beispiel: Helga sagt: „Ich mag den Müsliriegel nicht.“ Helmut startet Metakommunikation: „Meinst du den Müsliriegel von Hofer?“

3.4. Zur Diagnose sprachlicher Kommunikationsstörungen

Es gibt Missverstehen und Nichtverstehen.

3.4.1. Zum Missverstehen sprachlicher Symbole

Jede Sprache muss über signifikante Symbole verfügen, damit Verständigung überhaupt jemals möglich wird.

Die nähere Umwelt umfasst jene Teilaspekte der Realität, die dem einzelnen Menschen in seinem Denken bzw. Handeln unmittelbar zugänglich sind. Hier bilden sich (subjektiven) Persönlichkeitsstrukturen aus. Daraus entwickeln sich Strukturierungsmuster der Realität, die auch durch das Erlernen der Sprache als Teil des sozialen Erbes einer Gesellschaft tradiert werden und unser Wahrnehmen, Denken und Fühlen prägen. Im Moment des Gebrauchs von Sprache entpersönlicht man aber zugleich auch die eigene Erfahrung.

Die typisierte Erfahrung ist der kleinste gemeinsame Nenner aller bekannten Möglichkeiten, einen Gegenstand der Realität erleben zu können. Unterschiedliche Lebensstile, Weltanschauungen und Wertsysteme in einer Gesellschaft können dazu führen, dass Worte ganz verschieden erlebt werden, weil ihnen ganz unterschiedliche Erfahrungen zugrunde liegen.  Das wechselseitige Realisieren der jeweiligen Worte bedeutet ein Aktualisieren von Begriffen, jeder aktualisiert Begriffe, die man infolge mehr oder weniger subjektiver Erfahrungen ausgebildet hat.

Sprache durchbricht die Grenze zwischen den jeweils persönlichen näheren Umwelten und macht es dadurch möglich, jemanden anderen an seinen subjektiven Erfahrungen teilhaben zu lassen. „Verschiedene Ausdrücke, oder auch derselbe Ausdruck der gebraucht wird, um dasselbe Objekt zu kennenzeichen, können verschiedene Erfahrungen enthalten.“  Ein Missverstehen entsteht, wenn ein und dasselbe sprachliche Symbol im Bewusstsein zweier Gesprächspartner unterschiedliche Begriffe abruft.

3.4.2. Zum Missverstehen sprachlicher Handlungen

Sprachliche Handlungen sind nur aus der Situation heraus verständlich in der sie stattfinden, sie werden erst aus ihrem Kontext verständlich. Dieser Kontext besitzt sowohl eine individuelle als auch eine gesellschaftliche Perspektive.

  1. Die individuelle Perspektive beeinflusst das Bild, das die beide Kommunikationspartner voneinander haben. Dazu gehört die soziale Position, wie etwa Lehrer zu Schüler und bestimmt die Erwartungen, die man seinem Gegenüber entgegenbringt.
  2. Die gesellschaftliche Perspektive steht für die wechselseitigen Erwartungen und das jeweilige Wert- und Normgefüge. Primär geht es um Handlungsmaximen (Werte) und Verhaltensregeln (Normen). Die Qualität, die man in das Verhalten des Gegenübers hat, ergibt sich wiederum aufgrund dessen wahrgenommener sozialer Position ergibt.

Nur wenn diese Kommunikationssituation von beiden Kommunikationspartnern in gleicher Weise definiert wird, kann Verständigung zustande kommen. Die Ursache für Missverständnisse auf der intersubjektiven Ebene liegt somit in einer unterschiedlichen Definition der Kommunikationssituation durch die jeweils beteiligten Kommunikationspartner.

3.4.3. Sprachliche Kommunikation: Ein Modell ihrer Implikationen und deren Konsequenzen

Beide Partner versuchen Verständigung herzustellen. Zu diesem Zweck deuten sie wechselseitig ihr Verhältnis (= Beziehung) zueinander. Im Moment des Ablaufes eines Sprechaktes werden im Bewusstsein beider Kommunikationspartner Erwartungen an das wechselseitige Verhalten aktualisiert. Damit sind Erwartungen auf das sprachliche Verhalten des Gegenübers gemeint, die infolge des jeweils gültigen Wert- und Normgefüge mit der sozialen Position des anderen vereinbar erscheinen. Wechselseitiges Verstehen kommt nur zustande, wenn beide Kommunikationspartner zu übereinstimmenden Definition der Situation gelangen. Dies kann nur der Fall sein, wenn sie über ein Mindestmaß an geteilten Werten und Normen, sowie ein Mindestmaß an einander entsprechenden Verhaltenserwartungen verfügen. Höherer Kommunikationserfolg ist möglich, wenn die Gesprächspartner ihr wechselseitiges Verstehen optimieren. Erst ein Mindestmaß an Wissen um die individuellen Erfahrungen des Gegenübers und eine daraus erwachsende Sensibilität für dessen Vorrat an sprachlichen Symbolen sowie eine grundsätzliche Kenntnis des Wert- und Normgefüges sowie der Verhaltenserwartungen des jeweiligen Kommunikationspartners schaffen die Basis für Verständigung. Durch die METAKOMMUNIKATION sind wir in der Lage, Kommunikation selbst zum Gegenstand von Kommunikation zu machen und verfügen damit über eine Möglichkeit, die Kommunikationsbarrieren zu thematisieren und bewusst zu machen.

3.4.4. Das Nachrichtenquadrat

Sprecher und Hörer begegnen einander nicht bloß auf einer Sachebene, sondern auch auf einer Beziehungsebene.

Wenn man dieses Nachrichtenquadrat aus der Sicht des Empfängers betrachtet, heißt es:

Die Klarheit einer Nachricht ist eine vierdimensionale Angelegenheit. Auch wenn der Inhalt  sprachlich verständlich ist, kann man immer noch unsicher sein, was eigentlich gemeint ist. In ein und derselben Nachricht sind viele Botschaften gleichzeitig enthalten. Die Seiten des Quadrates sind gleich lang, d.h. es wird unterstellt dass alle 4 Aspekte gleichrangig sind.

Zwischenmenschliche Kommunikation ist so kompliziert, weil der Empfänger prinzipiell die freie Auswahl hat „auf welche Seite der Nachricht er reagieren will.“ Und jede Nachricht hat tatsächlich eine Vielfalt von Botschaften in sich. Die ankommende Nachricht is vielfach ein Machwerk des Empfängers.

3.5. Exkurs: Wissenschaftssprache

Die Sprache einer Wissenschaft unterschiedet sich von der gängigen Alltagssprache vor allem dadurch, dass sie über eine Terminologie verfügt. Ein Wort tritt in verschiedenen Wissenschaften als „Terminus“ für unterschiedliche Bedeutungen auf. So bedeutet der Begriff „Medium“ in der Kommunikationswissenschaft etwas anders als in der Chemie. Eine Definition ist eine Entscheidung darüber, dass ein bestimmtes sprachliches Zeichen nur noch in einer bestimmten Weise verwendet werden soll. Realdefinitionen zielen darauf ab, das „Wesen“ oder die „Natur“ von Tatbeständen zu beschreiben, und können daher wahr oder falsch sein.

Nominaldefinitionen stellen eine „Festsetzung über die Verwendung eines sprachlichen Ausdrucks“ dar. Sie können lediglich zweckmäßig oder unzweckmäßig sein, sprich angemessen oder unangemessen.

4. Kommunikation und Menschliche Existenz

Die Existenz des Menschen  ist nicht zu denken ohne seine spezifisch-menschliche Kommunikationsfähigkeit.

4.1. Kommunikation als anthropologische Grundkonstante

Die Kommunikationsfähigkeit im Rahmen der Anthropogenese fokussiert den Blick auf die evolutionäre Dimension menschlichen Lebens. Evolution kann bestimmt werden als der Prozess „allmählich fortschreitende(r) Veränderungen in Struktur und Verhalten der Lebewesen, so dass die Nachfahren andersartig als die Vorfahren werden“. Nur diejenigen Lebewesen, die sich an die jeweils vorhandenen Umweltbedingungen am besten anpassen , überleben und pflanzen sich fort. Darwin prägte dafür den Begriff der „natürlichen Selektion“.

„So großartig und vielfältig die in der Natur vorhandenen Kommunikationssysteme auch sind, begriffliches Denken und verbale Kommunikation, Wissensakkumulation in einer Sprache hat im Verlauf der Evolution nur eine einzige Spezies entwickelt, nämlich der Mensch.“ Es ist klar, dass Sprache – bisher als Resultat biologischer Evolution angesehen – nunmehr als Voraussetzung für die mit ihr einsetzende kulturelle Evolution betrachtet werden muss. Sprache ermöglichte das Abstraktionsniveau, das zur Entwicklung der materiellen Kultur und der menschlichen Gesellschaft notwendig waren.

Erst Sprache schuf  die Voraussetzung für das Entstehen sozialer Normen und trug damit wesentlich zur Entwicklung von Kultur bei. Sprache ließ also „einen neuen Typ der Evolution entstehen, der sich in keiner anderen Art finden lässt.“ Der Weg vom Tier zum Menschen ist durch das Ineinandergreifen organischer und kultureller Entwicklungsmechanismen bestimmt. Der Unterschied zwischen Mensch und Tier liegt an einer unterschiedlichen Qualität in der Beziehung zur Umwelt.

Der Mensch als ein Mängelwesen konnte nur überleben, indem er seine Unspezialisiertheit kompensierte. So etwa, wenn er arbeitend die Natur bewältigt und verändert, oder wenn er seine Mangelausstattung durch soziales Handeln kompensiert. Kultur ist also die von Menschen durch sein Handeln veränderte Natur. Das erste Lebensjahr des Menschen hat Portmann als extra-uterines Frühjahr bezeichnet. Geradezu hilflos, kommunikations- und bewegungsunfähig, wächst der Säugling in engster physischer und auch emotionaler Abhängigkeit von seinen Eltern auf. Das extra-uterine Frühjahr stempelt ihn zu einem „Lernwesen“. Anders als das Tier, wird der Mensch ohne durch Vererbung konkret festgelegte Verhaltensmuster geboren. Aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit benötigt jeder Säugling Hilfe und Betreuung durch Personen, man kann darin auch eine „biologische Garantie“ für erste Sozialkontakte sehen. In diesen frühen Interaktionsprozessen entfaltet sich die „Soziabilität“. Diese ist eine notwendige Bedingung zur Erhaltung und Entfaltung der menschlichen Existenz. Sie stellt – zusammen mit der Ausbildung seiner erhöhten Lernfähigkeit – eine unabdingbare Voraussetzung für seine ab dem Moment der Geburt beginnende Sozialisierung dar.

4.2. Sozialisation und Kommunikation

SOZIALISIERUNG oder SOZIALISATION wird auch als „Prozess der Menschwerdung der Menschen“ oder als „Prozess der Persönlichkeitsgenese in Abhängigkeit von der Umwelt“ beschrieben. Die Sozialisationsforschung versucht nachzuweisen, dass sich die menschliche Persönlichkeit in keiner ihrer Dimensionen gesellschaftsfrei herausbildet, sondern stets in einer konkreten Lebenswelt, die gesellschaftlich-historisch vermittelt ist. Sowohl individuelles als auch soziales Lernen dauert jedoch das ganze Leben an. Es gibt daher keine endgültig abgeschlossene Sozialisierung, sondern nur einen jeweiligen Stand der Sozialisierung: die Sozialisation.

4.2.1. Sozialisationstheoretische Positionen

DAS ANTHROPOLOGISCH-FUNKTIONALISTISCHE MODELL
„Die gesellschaftliche Momente vornehmlich unter dem Aspekt der Erfüllung der vitalen Bedürfnisse des Menschen“. Sozialisation wird von dieser Position als Notwendigkeit zur physischen Existenzsicherung gesehen. Infolge unzureichender biologischer Ausstattung bedarf  der Mensch ergänzender Sozialisierung.

DAS WISSENSCHAFTSMODELL
Der Mensch handelt auf der Grundlage der Bedeutung, die die Dinge für ihn besitzen; diese Bedeutungen erscheinen im Modus vom WISSEN über die Wirklichkeit. Sozialisation wird von dieser Position als jener Prozess verstanden, in dem Wissen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit über Sprache bzw. Symbolinterpretationen erworben wird.

DAS INTEGRATIONSMODELL
Sozialisation ist demnach der Vorgang, bei dem Mensch und Gesellschaft miteinander integriert werden und bei dem der Mensch in die Gesellschaft integriert wird.

DAS REPRESSIONSMODELL
Vertreter dieser Sichtweise legen ihr Hauptgewicht auf den Konflikt zwischen gesellschaftlich vermittelten und anderen Persönlichkeitsmomenten innerhalb des Individuums. Sozialisation erscheint somit als ein Prozess der Verinnerlichung gesellschaftlicher Instanzen, die zum Teil zur eigentlichen Individualität des Menschen im Widerspruch stehen und humanspezifische Triebregungen unterdrücken.

DAS INDIVIDUATIONSMODELL
Infolge konkret ablaufender Sozialisationsvorgänge kann sich menschliche Individualität entwickeln, Sozialisation wird von dieser Position als ein Prozess verstanden, in dem die gesellschaftliche Vermittlung von Individualität stattfindet, in dem sich Identität und „Selbst-Bewusstsein“ im Rahmen der Interaktion mit anderen Menschen (und im Rahmen von Rollenübernahmen) überhaupt erst bilden kann.

Gesellschaft ist eine elementare Bedingung für die Menschwerdung. Es ist klar, dass menschliche Subjektivität ohne soziale Umwelt bzw. ohne die Kenntnis und Übernahme sozialer Rollen nur als irreale Fiktion denkbar ist.

4.2.2. Exkurs: Zum Begriff der „sozialen Rolle“

Mit dem Begriff der sozialen Rolle wird die Summe von Verhaltenserwartungen bezeichnet, die dem Inhaber einer sozialen Position von anderen Menschen entgegengebracht werden. Als Position gilt dabei der „Ort im differenzierten Gefüge sozialer Beziehungen, der, ohne Rücksicht auf die jeweilige konkrete Person, für einen Funktionsträger (an sich) bestimmt ist und diesen sozial qualifiziert“. Rollen beziehen sich immer auf Positionen und nicht auf einzelne Menschen. Die Verhaltenserwartungen betreffen immer Erwartungen, die in das Verhalten von Positionsinhabern gesetzt werden. Wir Menschen bekleiden üblicherweise eine Vielzahl derartiger sozialer Positionen, in denen wir ganz unterschiedliche Rolle spielen.

Soziale Rollen sind „wiederkehrende Verhaltensforderungen“, die dem Individuum als Inhaber einer sozialen Position von der Gesellschaft in Gestalt der Interaktionspartner entgegengebracht werden. Wir lernen, welche Verhaltenserwartungen (Rollen) den jeweiligen sozialen Positionen entsprechen und erfahren was nicht akzeptables bzw. was akzeptables Verhalten ist. Es gibt als Kontrolle der Gesellschaft über menschliches Verhalten Sanktionen, welche die Verletzungen bestimmter Rollenerwartungen nach sich ziehen. Sanktionen sind die Mittel einer Gesellschaft, um für die Einhaltung ihrer Vorschriften zu sorgen. Sanktionen sind Reaktionen der Gesellschaft sowohl auf rollenkonformes als auch auf rollenabweichendes Verhalten.

Die individuelle Identität des Menschen, sein“Selbst“ oder Kern seiner Persönlichkeit verbirgt sich nicht hinter allen sozialen Rollen die ein Mensch spielt. Im Gegenteil: das Insgesamt all jener sozialen Rollen, die wir ausfüllen und auszufüllen trachten, gerinnt zu unserer ureigensten Persönlichkeit.

4.2.4. Sozialisation als symbolisch-interaktionisches Geschehen

Der theoretische Ansatz des Symbolischen Interaktionismus (SI) sieht den Menschen als ein Wesen, das sich in einer aktiven Wechselbeziehung mit seiner Umwelt befindet. Menschen handeln im Hinblick auf ihre Umgebung auf der Basis subjektiver Interpretationsleistungen. Indem sie bestimmte „Dinge“ mit Bedeutungen belegen, schaffen sie sich eine symbolische Umwelt. „Das Kind ist kein geborener Mensch obwohl es die Fähigkeit besitzt, Mensch zu werden. Es wird dies durch den Erwerb eines Selbst im Kontext der Interaktion mit anderen.“

Sozialisation ist im Horizont des SI somit als jener Prozess zu begreifen, indem sich menschliche Wesen im Verlauf sozialer Interaktionen Symbolsysteme aneignen, mit deren Hilfe sie dann nicht nur ihre Umwelt interpretieren, sondern auch „Selbst-Bewusstsein“ erlangen. Vom interaktionistischen Aspekt her steht also die Wechselbeziehung Individuum-Umwelt im Blickpunkt. Die Bedeutung eines Dinges für eine Person ergibt sich aus der Art und Weise, in der andere Personen ihr gegenüber in Bezug auf dieses Ding handeln.

Von symbolischen Aspekt her stehen damit die Bedeutungen im Mittelpunkt, die den Objekten auf der Basis von Verhaltensinterpretationen zugeschrieben werden. Daraus folgt, dass Objekte –was ihren Sinn betrifft – innerhalb des gesellschaftlichen Erfahrungs- und Verhaltensprozesses überhaupt erst geschaffen werden. Indem wir im Hinblick auf unsere Umwelt handeln, kategorisieren wir sie, d.h. wir gliedern gewissermaßen unsere natürliche Umgebung in mehr oder weniger bedeutungsvolle Ausschnitte, dieser Vorgang ist als Symbolisation bezeichnet. Wir leben in einer symbolischen Umwelt. Diese ist die jeweils kulturspezifische Kategorisierung der natürlichen Umgebung. Sie bestimmt in hohem Masse über die Qualität der Bedeutungen, welche diese Objekte (bzw. deren Bezeichnungen) für uns symbolisieren.

Ein Selbst-Bewusstsein entsteht immer dann, wenn man mental in der Lage war, in die Rolle eines anderen zu schlüpfen und sich aus dessen Perspektive zu betrachten. Diese Fähigkeit zur Übernahme der Rolle eines anderen wird sehr früh erlernt. Ein Kind etwa schlüpft in die Rolle eines anderen und gewinnt dadurch eine „Orientierung seiner selbst gegenüber, in der es als ‚self’ bestimmter Art erscheint“. Diese Fähigkeit, sich zugleich aus der Perspektive mehrerer anderer betrachten zu können, bezeichnet Mead als die Fähigkeit, die Rolle des generalisierten anderen einnehmen zu können. Damit mit einer die Möglichkeit, gedanklich auf die Haltungen der gesamten Gruppe Bezug zu nehmen. Dies geschieht, indem der einzelne die Verhaltenserwartungen der jeweiligen Gruppenmitglieder verallgemeinert. Die anderen sind in seinem Denken und Handeln als ein „man“ präsent. Er weiß, was man von ihm erwartet, er weiß daher auch wie man in seiner Position bzw. Rolle zu handeln hat. Die Übernahme der Rolle anderer erweist sich nunmehr als zentraler Faktor bei der Entwicklung eines Selbst. Dann das Selbst einer Person ist nichts anderes als „die Weise wie die Person sich selbst ihre Beziehungen zu anderen Personen in einem sozialen Prozess beschreibt“. Das Selbst erwächst also aus bestimmten Erfahrungen, die man in der Begegnung mit anderen macht. Teile derartiger Erfahrungen verdichten sich schließlich zu „Etikettierungen“ mit denen wir uns gewissermaßen selbst versehen, indem wir die Reaktionen anderer auf unser eigenes Verhalten interpretieren.

Das Spiegel-Ich. Die Haltungen anderer werden so reflektiert, als ob wir in einen Spiegel blickten und uns aufgrund dessen, was wir beobachten, selbst beurteilen. In diesem Sinn kann man sich das Selbst „als einem Satz unterschiedlicher Identitäten besteht vorstellen.“ Sie sind verinnerlichte positionale Bezeichnungen, die sich in sozialer Interaktion behaupten und bewährt haben. Sie sind diejenigen sozial anerkannten Personenkategorien, die man in einer Gesellschaft sein kann. „Das Verhältnis des Menschen zu sich selbst impliziert sein Verhältnis zu anderen, seine Identität impliziert seine Soziabilität“. Der Mensch kann nur durch die Sozialisation zu einer Selbstdefinition gelangen.

Mead unterscheiden zwei Sphären von Identitäten.

  • Me: (internalisierten anderen) dasjenige, was dem Subjekt im Selbstbewusstsein erscheint. Äquivalent zu den sozialen Rollen.
  • I:Reaktion des Organismus auf die Haltung anderer. Spontane Instanz im Handeln. Es gibt ständige Wechselbeziehungen von I und ME.
4.2.3.1. Selbst-Genese und Kommunikation

Die Geste stellt für Mead nicht nur die Anfangsstufe jeglichen Sozialverhaltens dar, er sieht in ihr auch jenes Phänomen, das später zum Symbol wird und damit symbolisch vermittelte Interaktion (also: Humankommunikation) überhaupt erst möglich macht. Unter Geste versteht man jede Regung eines Organismus – wie etwa eine Bewegung (=motorische Geste), einen Gesichtsausdruck (=mimische Geste), oder einen Laut (=vokale Geste) – die als Reiz auf andere Lebewesen wirkt. Die Reaktion einer Erwachsenen auf die Geste eines Kindes ist die Interpretation dieser Geste für das Kind.

Erst Kommunikation mit Hilfe signifikanter Symbole macht es dem Individuum möglich, nicht nur als Subjekt – als I – (kommunikativ) zu handeln, sondern sich damit (zugleich) auch aus der Perspektive des anderen als Objekt – als Me – zu betrachten, d.h. in die Rolle des Gegenübers zu schlüpfen. Insgesamt wird mit dieser  Einsicht in den Stellenwert von Kommunikation bei der Genese von Identität und Selbst-Bewusstsein auch ein dem Menschen gleichsam auferlegter Zwang zur Kommunikation deutlich. Der Mensch, im Gegensatz zu anderen Lebewesen unfertig geboren, muss durch den kontinuierlichen Erwerb seines Selbst lebenslang seine eigentliche (menschliche) Geburt vorantreiben und bedarf dazu der kommunikativen Begegnung mit anderen Menschen. Der Mensch ist ohne die nur ihm eigene Fähigkeit zur symbolischen Kommunikation nicht denkbar.

5. Massenkommunikation

5.1. Massenkommunikation: Zur Klärung eines Begriffes

Unter Massenkommunikation („mass communication“) soll jener Prozess verstanden werden, bei dem Aussagen öffentlich (d.h. ohne begrenzte oder personell definierte Empfängerschaft) indirekt (d.h. raum-zeitlicher Distanz zwischen den Kommunikationspartnern) und einseitig (d.h. ohne Rollenwechsel zwischen Aussagendem und Aufnehmendem) durch technische Verbreitungsmittel ‚Massenmedien‘ an ein disperses Publikum (relativ große, heterogene und Anonyme Publika) vermittelt werden.

Der Einsatz von Massenmedien ermöglicht Massenkommunikation. Sie sind all jene Medien, über die durch Techniken der Verbreitung und Vervielfältigung mittels Schrift, Bild und/oder Ton optisch bzw. akustisch Aussagen an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen vermittelt werden. Der Massenkommunikationsprozess stellt sich zunächst als ein Vorgang dar „in dem spezielle soziale Gruppen technische Vorrichtungen anwenden, um einer großen, heterogen und weit verstreuten Zahl von Menschen symbolische Inhalte zu vermitteln.“ Massenmedien stellen darauf ab, anderen Menschen etwas mitzuteilen und wollen ihnen zu diesem Zweck bestimmte Botschaften verständlich machen. Sie versuchen Verständigung und damit KOMMUNIKATION.

Von massenmedial vermittelter Kommunikation soll nur dann gesprochen werden, wenn das, was ein Kommunikator mitteilen will, von den jeweiligen Rezipienten seiner Aussage auch (annähernd) so verstanden wird, wie es von ihm gemeint war. Damit ist zugleich verdeutlicht, dass auch für einen massenmedial vermittelten Kommunikationsvorgang das Prinzip der impliziten Reziprozität Gültigkeit besitzt. Auch wenn sich Inhalte und Angebotsmuster im Massenkommunikationsprozess laufend verändern, das Publikum wird den Massenmedien nicht verloren gehen. Und damit behält das hier entwickelte Verständnis von Massenkommunikation hinaus noch einen Sinn.

5.2. Zur Bedeutung der Massenkommunikation für Mensch und Gesellschaft

5.2.1. Kommunikation und Gesellschaft

Es ist klar, dass man es hier nicht nur mit einem individuellen, sondern stets auch mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun hat: Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Gesellschaft. Hier ist gemeint dass, soziale bzw. gesellschaftliche Evolution nicht unabhängig von Veränderungen in den Kommunikationsweisen der Menschen gesehen werden kann. Es scheint sich dabei um eine interdependente Beziehung zwischen Kommunikations- und Gesellschaftsformen.Unsere heutige Gesellschaft wird von Informations- und Kommunikationsprozessen deutlicher geprägt als jede Gesellschaft zuvor. Schon seit langem ist daher nicht bloß von der Weltgesellschaft (Mehrheit menschlicher Gesellschaften) sondern auch von der Informationsgesellschaft die Rede.

5.3. Wirkung der Massenmedien

Es gibt keine allgemein gültige Theorie zur Massenkommunikation und somit auch keine eindeutige Antwort auf die Frage nach die Wirkungen der Massenmedien. Es erscheint, dass die Wirkungsfrage immer auch aus verschiedenen Perspektiven und mit unterschiedlichen Erkenntniszielen gestellt worden ist.

Als Wirkungen kann man „sämtliche beim Menschen zu beobachtenden Verhaltens- und Erlebensprozesse“ begreifen, „die darauf zurückzuführen sind, dass der Mensch Rezipient im Felde der Massenkommunikation ist“. Unter Wirkungen im engeren Sinn sollen all jene Prozesse in der post-kommunikativen Phase verstanden werden, die als Resultate der Massenkommunikation ablaufen, sowie in der kommunikativen Phase alle jene Verhaltensweisen, die eine Verhaltensänderung der Rezipienten als Folge Diese Wechsel im Verhalten bringt fast immer Veränderung im einen Bereich auch Wirkungen in anderen Bereich mit sich.

Mögliche Wirkungsbereiche: im Verhalten, im Wissen, in Meinungen bzw. Einstellungen, im emotionalen Bereich, in den Tiefensphären des Psychischen, im physischen Bereich (Augenschäden, Schlafstörungen, etc). Als eine derartige, mit praktisch allen anderen Wirkungsbereichen verwobene Wirkungsart gilt das Einstellungskonzept.Eine Einstellung wird als eine Tendenz begriffen „auf ein Objekt (Gegenstand, Person, Idee usw.) mit bestimmten (positiven oder negativen) Gefühlen, Wahrnehmungen und Vorstellungen sowie Verhaltensweisen zu reagieren.“ Jede Einstellung ist in drei zentrale Bestandteile zerlegbar: kognitive (oder Wissens-) Komponente, affektive (oder Gefühls-) Komponente  und konative (oder Handlungs-) Komponente. Bereits per definitionem betreffen Einstellungsänderungen also auch Änderungen im Wissen, im emotionalen bzw. psychischen Bereich, sowie im Bereich des Verhaltens.

5.3.1. Zur Genese der massenkommunikativen Wirkungsforschung

Im Mittelpunkt der Wirkungsforschung stehen die Wirkungen von massenmedial verbreiteten Aussagen auf die einzelnen Rezipienten. Die Frage ist, wie eine Aussage bzw. Botschaft beschaffen sein muss, damit sie beim Rezipienten (bzw. in seiner Mehrzahl: beim Publikum) die jeweils intendierte Wirkung auch tatsächlich erzielt.

Instinkttheorie: Es ist im Menschen „ein relativ fester Satz von Trieben angelegt, die bei Anregung durch einen äußeren Stimulus fixierte Verhaltensweisen auslösen“. Im Sinne der psychologischen Instinkttheorie „erfassen also Stimuli innere, biologisch bedingte Triebe, Emotionen und andere Prozesse, über die den einzelne keine Kontrolle besitzt, und lösen aufgrund der Vererbung der psychologischen Mechanismen bei allen Individuen ähnliche Reaktionen aus“. Die primäre Forschungsfrage ist herauszufinden, welche Vorgänge auf der Reizseite welche Vorgänge auf der Verhaltensseite verursachen.

„Black-Box-Modell“

Theorie der Massengesellschaft: Diese Theorie behauptet, dass im Zuge von Industrialisierung und Demokratisierung der Gesellschaft die Primärgruppen zusammengebrochen sind, die dem Individuum soziale Außenstabilisierung boten. Die Folge dieser Entwicklung ist, dass die einzelnen Individuen atomisiert, isoliert und in wechselseitiger Anonymität stehen. Diese Theorie wurde schließlich durch das Kleingruppen-Konzept ersetzt.

Als Korrelat von Instinktstheorie und der Theorie der Massengesellschaft entstand sie Stimulus-Response-Theorie, auch hypodermic needle theory oder transmission belt theory genannt. Diese Theorie geht davon aus, dass sorgfältig gestaltete Stimuli jedes Individuum der Gesellschaft über die Massenmedien auf die gleiche Weise erreichen, jedes Gesellschaftsmitglied die Stimuli der gleichen Art wahrnimmt und als Ergebnis eine bei allen Individuen ähnliche Reaktion erzielt wird. Der Inhalt der Kommunikation und die Richtung des Effekts werden in der direkten Stimulus-Response-Theorie gleichgesetzt. Mit dem Glauben an diese Theorie war auch der Glaube an die Omnipotenz der Massenmedien geboren.

5.3.2. Psychologisch orientierte Wirkungsforschung

5.3.2.1. Die Arbeiten der Hovland-Gruppe

ZIEL: Die Wirkung von kommunikativen Stimuli der Überredungskommunikation auf die Einstellungen der Rezipienten zu untersuchen.

MERKMALE DER AUSSAGE: Einseitige versus zweiseitige Argumentation – bei gebildeten Personen ist zweiseitige Argumentation erfolgreicher als einseitige. Sie sind gewöhnt, alle Argumente bei ihrer Meinungsbildung zu berücksichtigen. Bei weniger gebildeten war dagegen einseitiger Argumentation erfolgreicher. Zweiseitige Argumentation sei langfristiger erfolgreicher als einseitige, vor allem wenn die Gefahr besteht, dass Rezipienten mit Gegenpropaganda konfrontiert werden.
Anordnung der Argumente – Es stellte sich heraus, dass die Wirksamkeit der Anordnung mit dem themenspezifischen Interesse bzw. Wissen der Rezipienten variiert. Primacy effect: Wenn die Aussage, die am Anfang präsentiert wird die stärkste Wirkung hat. Das war vor allem bei Leuten erfolgreich, die wenig Interesse am Thema hatten.
Recency effect: Wenn die Aussage mit stärkste Wirkung zuletzt präsentiert wird.
Explizite versus implizite Schlussfolgerungen: Man stellte fest, dass implizite Schlussfolgerungen dann wirksamer sind, wenn das zur Diskussion stehende Thema wenig komplex und dem Rezipienten vertraut ist und persönliche Betroffenheit vorliegt.

MERKMALE DER KOMMUNIKATIONSQUELLE: Nicht nur das was und wie bestimmt die Wirkung einer Aussage. Es wurde erkannt, dass die Einstellungsänderungen des Publikums auch von dem Umstand abhängig war, wer eine Botschaft vermittelte.
Glaubwürdigkeit: Sachkenntnis (expertness) uns Vertrauenswürdigkeit (trustworthiness) sind zwei Komponenten.
Sleeper-Effect: „People often remember what was said without thinking about who said it.“
Attraktivität: Als attraktiv gilt ein Kommunikator dann, wenn man ein hohes Maß an Ähnlichkeit zwischen ihm und sich selbst empfindet.

PERSÖNLICHKEITSMERKMALE DER REZIPIENTEN. Neben der Aussage und der Kommunikationsquelle wurde schließlich auch beim Rezipienten selbst nach Faktoren gesucht, welche die allgemeine Beeinflussbarkeit („Suggestibilität“) eines Individuums bestimmen.
Intelligenz: Rezipienten mit hoher Intelligenz sind mehr beeinflussbar, wenn rational und logisch argumentiert wird.
Motivfaktoren: Es stellte sich heraus, dass Personen mit geringer Selbsteinschätzung, leichter überredbar sind als Personen mit hoher Selbsteinschätzung.

5.3.2.2. Konsistenztheoretische Ansätze

Der Mensch tendiere dazu, zwischen seinen Einstellungen und Verhaltensweisen einen Zustand der Übereinstimmung und Vereinbarkeit (= Konsistenz) zu erreichen und diesen zu erhalten.
KOGNITIVES GLEICHGEWICHT“(Auch Konsonanz, Konsistenz, Kongruenz) liegt vor, wenn zwei zusammenhängende Bewusstseinsinhalte in Einklang miteinander stehen.
KOGNITIVES UNGLEICHGEWICHT (Auch Dissonanz, Inkonsistenz, Inkongruenz) liegt vor, wenn dieser (subjektiv empfundene) Einklang abgeht. Man unterstellt dann einen inneren Spannungszustand, der nach Aufhebung dieses Verhältnisses drängt.

Die Wirkung einer massenkommunikativen Aussage auf die Einstellung des Rezipienten wird ausschließlich auf Aktivitäten des Individuums zurückgeführt, die das Ziel verfolgen, einen Zustand der Konsistenz zwischen zwei Bewusstseinsinhalten zu erhalten oder einen Zustand der Inkonsistenz wieder in einen konsistenten Zustand überzuführen. Mit Hilfe der konsistenztheoretischen Ansätze lassen sich nicht nur Wirkungen der kommunikativen und postkommunikativen, sondern auch solche der präkommunikativen Phase berücksichtigen kann. Dadurch wird es möglich, Aussagen über den Vorgang der aktiven Selektion des Rezipienten aus dem massenmedialen Angebot zu machen.
INFORMATIONSSUCHE & VERMEIDUNG: „Selective-exposure“. Nicht nur das Phänomen der Selektion, auch die Interpretation und das Behalten von massenmedial vermittelten Aussagen kann konsistenztheoretisch erklärt werden.

5.3.3. Soziologisch orientierte Wirkungsforschung

Menschen werden mehr durch Kontakte mit anderen Menschen unmittelbarer beeinflusst, wie etwa durch Familienmitglieder, Bekannte und Nachbarn, als durch die Massenmedien.

DAS TWO-STEP-FLOW-KONZEPT. „This suggests that ideas often flow from radio and print to the opinion leaders and from them to the less active sections of the population“. Nach dieser Vorstellung erreichen die Massenmedien einen Großteil der Bevölkerung nicht direkt, sondern gelangen zunächst zur Gruppe der Meinungsführer und über diese dann zu den weniger aktiven Rezipienten.

Zum aktuellen Stand der „opinion leader“ Forschung: Es gibt opinion givers bzw. opinion leaders, opinion askers und opinion avoiders. Opinion leaders kommunizieren gleichsam untereinander. In entwickelten Industriegesellschaften erreichen die Massenmedien potentiell eben alle Menschen, und wenn im Rahmen interpersonaler Kommunikation auf massenmedial verbreitete Inhalte zurückgegriffen wird, dann vermitteln „opinion giver“ ihre Meinungen nicht den, weniger aktiven Schichten sondern Personen, die bezüglich des betreffenden Themas genauso interessiert bzw. informiert sind wie sie selbst. Nichtsdestotrotz lassen sich für entwickelte Mediengesellschaften auch Situationen finden, in denen öffentlich bzw. medial präsente Personen, zu denen in der Regel kein direkter persönlicher Kontakt besteht, opinion-leader-ähnliche Funktionen erfüllen. In diesem Zusammenhang ist von „virtuellen Meinungsführern“ die Rede.

5.3.4. Sind die Massenmedien wirkungslos?

Die Massenmedial verbreiteten Aussagen werden erst durch die Anwesenheit sog. „intervenierender Faktoren“ (mediating factors) wirksam, diese sind derart beschaffen, dass sie die Massenkommunikation in der Regel zu einem Helfer nicht aber alleinigen Ursache in einem Prozess der Verstärkung (Reinforcement) bestehender Bedingungen machen: „The media are more likely to reinforce than to change“, oder kurz VERSTÄRKERHYPOTHESE. Rezipienten

  1. wählen Medieninhalte aus, die ihre Meinung bestärken (Selektive Zuwendung),
  2. sie interpretieren Botschaften im Sinne ihrer bestehenden Einstellungen (Selektive Wahrnehmung),
  3. sie erinnern sich an solchermaßen übereinstimmende Inhalte auch eher (selektives Behalten)
  4.  

Die Frage ist nicht mehr: Was machen die Medien mit den Menschen? Sondern „Was machen die Menschen mit den Medien?“ Die Frage nach der Wirkung der Massenmedien war damit zur Frage nach dem Gebrauch geworden, den die jeweiligen Rezipienten von den Medien machen bzw. dem Nutzen den sie aus dem Empfang der Aussagen davon tragen.

5.3.5. Nutzung der Massenmedien

PUBLIKUMS oder REZIPIENTENZENTRIERTE PERSPEKTIVE. Während das medienzentrierte Modell die Menschen im Prozess der Massenkommunikationen wesentlich als Objekte der Kommunikation betrachtete geht man im publikumszentrierten Modell von einem „aktiven Publikum“ aus, das aus Individuen besteht, die absichtsvoll (intentional) Handeln. MEDIENNUTZUNG gilt als eine in viele andere Handlungsabläufe eingebettete Aktivität des Individuums, sie gilt als Mittel zur Befriedigung von Bedürfnissen und damit als eine funktionale Alternative.

5.3.5.1. Der Nutzenansatz in der Massenkommunikationsforschung

NUTZENANSATZ. Variante des „Funktionalismus“, weil er Medienzuwendung im Gesamtkontext menschlicher Bedürfnisbefriedigung aufzeigt.

„USES AND GRATIFICATIONS APPROACH“ geht davon aus, dass der Mensch die Massenmedien als Gratifikationsinstanzen (Quelle zur Befriedigung) benützt. Von diesem übernimmt er die Vorstellung vom aktiven Publikum. Konkret ist also vorstellbar, dass sich verschiedene Menschen aus ganz unterschiedlichen Gründen ein und demselben Medium zuwenden und ganz unterschiedliche Gratifikationen durch diese Zuwendung erlangen: „In the mass communication process much initiative in linking need gratification and media choice lies with the audience member“.  

Das Publikum der Massenkommunikation, die tatsächlichen Benutzer der Medien werden nicht mehr als auf die Medien und ihre Inhalte orientierte Wese verstanden, sondern als Menschen. Auch die Medien und ihren Inhalten zuwenden und die massenmedial vermittelten Inhalte Beispielweise später in dafür geeigneten Situationen aktualisieren und thematisieren, die Informationen im Zuge con Problemlösungen jedenfalls zielgerecht einsetzen.

Die handlungstheoretischen Implikationen des „Symbolischen Interaktionismus“ und ihre Bedeutung für den Nutzenansatz

Der symbolischen Interaktionismus besagt, dass der Mensch in einer symbolischen Umwelt lebt. Er schreibt seiner Umwelt Bedeutungen aufgrund von Erfahrungen zu. ( = Soziale Schöpfung). Aus dieser handlungstheoretischen Sichtweise des Symbolischen Interaktionismus folgt zweierlei: Zum einen Umweltobjekten (seine Bedeutungen) werden ständig neu definiert. Zum anderen, jeder Mensch schafft sich durch individuelle Bedeutungszuweisung eine Welt für sich. Der Nutzenansatz knüpft nun direkt an diesen Überlegungen an. Dieser Nutzenansatz geht davon aus, dass die Medien mit ihren Inhalten lediglich Gegenstände, Handlungen oder Ereignisse anbieten, die der Handelnde (der potenziell Rezipient) zu Objekten seiner Umwelt machen wird, oder nicht.

Vom Rezipienten und dessen soziokulturellen Hintergrund hängt es ab, wie eine bestimmte Botschaft interpretiert, definiert wird. Der Rezipient entscheidet auch, wie er auf diese Botschaft hin reagiert.

5.3.5.2. Publikumsforschung als Gratifikationsforschung

Was machen die Medien mit den Menschen? Erhaltene Gratifikationen stehen im Mittelpunkt. Nutzungsstudien fragen nach der Bedeutung, die den Medien und ihren Inhalten im Kontext eines individuellen Lebensvollzugs zugewiesen wird, sie untersuchen die Qualität der konkreten Interpretationsprozesse „die vor dem Hintergrund der Interessen, Bedürfnisse und Verwendungszusammenhänge der Rezipienten ablaufen“. Zwei Fragen kennzeichnen diese Forschungsperspektive: Zum einen die Frage nach der Art der Gratifikationen; zum anderen die Frage nach Faktoren im persönlichen Lebensvollzug.

Das Ziel einer nutzungsorientierten Publikumsforschung ist es also, subjektiv erlangte Gratifikationen nicht nur zu diagnostizieren, sondern registrierbare Unterschiede im individuellen Nutzungsverhalten erklären zu können.

Gratifikationen im Hinblick auf:

  • Ablenkung und Zeitvertrieb (Eskapismus),
  • Persönliche Beziehungen (Rezipienten versuchen, quasisoziale Beziehungen mit den Medienakteuren einzugehen, sich mit ihnen gleichsam freundschaftlich verbunden zu fühlen und „so zu handeln, als liege ein direkter persönlicher Kontakt vor“),
  • Persönliche Identität (Menschen benützen die Massenmedien, um mehr über sich selbst zu erfahren; Identifikation mit Personen, Handlungen, Situationen oder Ideen, Projektion von Wünschen aber auch die Legitimation),
  • Kontrolle der Umwelt (Menschen versuchen Informationen über ihre Umwelt zu erhalten)

Publikumsforschung wozu?

Wem dient dieses Wissen?  Den Kommunikatoren, den Rezipienten und der Gesellschaft. Die Kommunikatoren können sich besser auf ihr Publikum einstellen, wenn sie wissen wozu ihre Inhalte üblicherweise benützt werden. Hier geht man davon aus und sieht in der Massenkommunikation einen Prozess, in dem gesamtgesellschaftliche Verständigung als sinnvolles Ziel angestrebt werden sollte, dann kann man Publikumsforschung als Verständigungs- und Gratifikationskontrolle begreifen.

Publikumsforschung verringert die strukturell bedingte Distanz zwischen den Kommunikationspartnern in der Massenkommunikation, weil sie als echtes „Feedback-Element“ kompensieren.

Fortschritte der Gratifikationsforschung

In den letzten eineinhalb Jahrzehnten haben sich die Forschungsbemühungen aus der Perspektive des Nutzenansatzes darauf konzentriert „Erklärungen dafür zu finden, wie Motive, Erwartungen und Medienverhalten von Rezipienten miteinander verbunden sind.“ Daraus ergab sich die Notwendigkeit, zwischen gesuchten Gratifikationen (gratifications sought – GS) und den als Folge des Medienkonsums dann tatsächlich erhaltenen Gratifikationen (gratifications obtained – GO) zu unterscheiden. Das was man sich von einem Medienkonsum erwartet, erhält man dann tatsächlich auch. „Gesuchte und erhaltene Gratifikationen sind eindeutig in einem Feedback-Modell verbunden.“ Allerdings ist dies keineswegs immer der Fall.  Das Erwartungs-Bewertungs-Modell gesuchter und erhaltener Gratifikationen macht deutlich, dass das Produkt von Vorstellungen (Erwartungen) und Bewertungen die Suche nach Gratifikationen beeinflusst, die dann auf die Mediennutzung einwirkt.

Kritik am Nutzenansatz

Es ist nicht so, dass der eine Sozialpartner den anderen in bestimmter Weise zur Kenntnis nimmt oder auch nicht und sich so seine Welt mit ihren Bedeutungen aufbaut. Vielmehr bauen beide kommunizierenden und interagierenden ‚Sozialpartner’ zusammen im Prozess ihrer Kommunikation und Interaktion sich ihre (=soziale) Welt auf. Schließlich wird dem „Uses and Gratifications Approach“ auch Theorielosigkeit vorgeworfen, denn es reicht nicht aus, Medienrezeption nur durch einen einzigen, vom Rezipienten gesteuerten selektiven Prozess zu begreifen.

5.3.5.3. Publikumsforschung als Kontaktmessung

Die kommerzielle Publikumsforschung ist als Werbeträgerforschung von Bedeutung. Sie ist Voraussetzung für die Mediaplanung. Dabei geht es um die Entscheidung in welchem Medium geworben wird, ob man etwa in Printmedien, im Hörfunk, Fernsehen, oder Internet wirbt.Die elementaren Befunde der Leserschaftsforschung sind Daten über die Reichweite eines Mediums (wie viele Personen werden von einer Zeitung/Zeitschrift innerhalb des jeweiligen Erscheinungsintervalls erreicht?) und über die Struktur der Leserschaft. (Aus welchen Personen setzt sich das Leserpublikum zusammen?) Unter einem Leser versteht man eine Person, die eine Ausgabe (innerhalb des jeweiligen Erscheinungsintervalls) gelesen oder durchgeblättert hat. Schon das Durchblättern einiger Seiten reicht aus für die Chance zum Anzeigekontakt. Entsprechend gelten als Leser pro Nummer (LpN) alle Personen, die mit einer durchschnittlichen Ausgabe einer Zeitung oder Zeitschrift Kontakt haben, das heißt diese durchblättern oder lesen.  In Österreich ist vor allem die in jährlichen Rhythmus durchgeführte „Media Analyse“ die Leitwährung für die Angabe von Reichweiten der einzelnen Werbeträger. Die Durchführung erfolgt durch österreichische Markt- und Meinungsforschungsinstitute. (Teletest: angeschlossenes elektronisches Messgerät in TV-Geräten in repräsentativ ausgewählte Testhaushalten)

5.3.6. Der dynamisch-transaktionale Ansatz

Der dynamisch-transaktionale Ansatz versucht, Wirkungs- und Nutzenansatz zu verbinden. Ausgangspunkt ist die Annahme, dass Kommunikatoren wie Rezipienten innerhalb eines Kommunikationsprozesses sowohl als passive als auch als aktive Teilnehmer gesehen werden müssen.

Aus dynamisch-transaktionaler Perspektive kann man argumentieren, „dass sich die subjektiven Rekonstruktionen aus dem objektiven Potential der Botschaft dann vorhersagen lassen, wenn die relevanten Botschafts- und Rezipientenmerkmale bekannt sind“. Es wurde erkennbar, dass die inhaltsanalytisch gemessenen Tendenzen dann deutlich besser den Rekonstruktionen der Rezipienten entsprachen, wenn Personen im Mittelpunkt der Berichte standen und nicht Sachthemen. Derartige Daten führen zur Frage: Welches Einflusspotential das Medienangebot hat und welche Wirkung subjektive Faktoren haben, und vor allem, welche Merkmale auf der Rezipientenseite es denn eigentlich sind, die die Wahrnehmung der Medienbotschaften beeinflussen.

Diese Fragen kann auch verschiedentlich beantworten werden; etwa mit dem Verweis auf die intervenierenden Variablen, wie sie in den Arbeiten der Hovland-Gruppe ergaben, mit dem Hinweis auf konsistenztheoretische Mechanismen, die unsere Wahrnehmungs-, Interpretations- und Behaltensleistungen zu steuern scheinen und schließlich mit dem Nutzenansatz, der diese Prozesse mit der Erlangung unterschiedlicher Belohnungen erklärt, die man mit Hilfe der Medienzuwendung sucht.

Dreht sich also diese Medienforschung im Kreis?  Ja und nein. Ja weil in der Tat wieder die alte Wirkungsfrage aktuell zu werden scheint, auch wenn sie sich im neuen Gewand präsentiert.  Nein, weil heute immer deutlicher wird, dass man aussagekräftige Ergebnisse eher dann erhält, wenn man prozessorientiert forscht, d.h. den Ablauf des Wirkungsgeschehens über eine sinnvoll erscheinende Zeitspanne hinweg verfolgt. Im Horizont des dynamisch-transaktionalen Ansatzes wurde daher versucht, die Entwicklung bzw. den Verlauf solcher Vorstellungsbilder zu beobachten, und zwar sowohl unter dem Einfluss des Medienangebotes als auch der subjektiven Mechanismen zur Informationsverarbeitung.

Die Ergebnisse der Prüfung beider Hypothesen (Zerfalls- und Integrationshypothese) machen deutlich, dass die Medien die Information homogener strukturiert anbieten, als sie vom Publikum wahrgenommen werden. Die Rezipienten kopieren also keineswegs das mediale Angebot in ihren Köpfen. Darüber hinaus wurde aber erkennbar, dass sich die Rezipienten auch nicht einfach eine ganz subjektive Wirklichkeit konstruieren (wie man sich vielleicht aus der Perspektive des Nutzenansatzes annehmen könnte) Ganz im Gegenteil: Es scheint so zu sein, dass sich das Publikum eher an wenigen Kernaussagen orientiert, deren Komplexität dann auch weitergehend erhalten bleibt, während der große Rest sonstigen Informationen zum Teil ganz vergessen wird oder in isolierte Erinnerungsbruchstücke zerfällt. Eine mögliche Erklärung dafür: das subjektive Informationsinteresse, das sich allerdings im Lauf der Zeit ebenfalls verändern kann.

Die Schema-Theorie geht davon aus, dass wir Menschen nur einen Bruchteil der auf uns einströmenden Informationen aufnehmen und verarbeiten können. Um Informationen möglichst schnell zu selektieren, bedarf es daher bestimmter Selektionskriterien. Die Selektionskriterien bilden sich im Laufe der individuellen Sozialisation heraus, sodass unsere Wahrnehmungen schon von bestimmten Vorstellungen und Erwartungen – eben: sog. SCHEMATA – gelenkt wird. Schemata bestimmen, welche Informationen aufgenommen und weiterverarbeitet werden. Darüber hinaus helfen Schemata aber auch dabei, neue Informationen einzuordnen und in vorhandenes Wissen zu integrieren. Man sollte „die Effekte der Massenmedien weder als alleiniges Produkt von Medienbotschaften noch als beliebige Kreation des Publikums betrachten“.

5.3.7. Die Agenda-Setting-Hypothese

Der Kerngedanke dieses Konzeptes besteht in der Annahme, dass die Massenmedien nicht so sehr beeinflussen, was wir denken sollen, sondern eher bestimmen, worüber wir nachzudenken haben (Thematisierungsfunktion).

While the mass media may have little influence on the direction or intensity of attitudes, it is hypothesized that the mass media set the agenda for each political campaign, influencing the salience of attitudes toward the political issues.

Kausalzusammenhang (Ursache- Wirkung). Drei Modellvarianten:

  1. Das Awareness-Modell geht davon aus, dass das Publikum auf bestimmte Themen aufmerksam wird, weil die Medien über sie berichten.
  2. Das Salience-Modell.
  3. Das Prioritätenmodell.

Themen wurden nach ihrer Aufdringlichkeit differenziert: Aufdringliche Themen sind solche, die der einzelne persönlich und direkt erfahren kann (z.B. lokale Politik), unaufdringliche Themen liegen dagegen weit außerhalb der persönlichen Kontaktnahme (z.B. Internationale Beziehungen). In der Tat ließen sich auch für ein und dasselbe Thema bei verschiedenen Rezipienten verschiedene Grade von Aufdringlichkeit feststellen.

Orientierungsbedürfnis Hohes Orientierungsbedürfnis führt zu ausgeprägteren Agenda-Setting Effekten. Interpersonelle Kommunikation ist eine wichtige Alternative zur medialen ‚Befriedigung’ politischer Orientierungsbedürfnisse. So ist bekannt, dass Public Relations Aktivitäten in hohem Maß die Berichterstattung beeinflussen, außerdem betreiben verschiedene gesellschaftliche Akteure immer häufiger Ereignismanagement, d.h. sie machen sich die Kenntnis journalistischer Selektionskriterien zunutze und inszenieren sog. PSEUDO-EREIGNISSE (Pressekonferenzen, Feierlichkeiten, Demonstrationen oder sonstige Veranstaltungen), um die Nachrichten in ihrem Sinn zu beeinflussen.

Konkret skizziert Brosius vier Punkte, die eine solche Theorie jedenfalls zu berücksichtigen hätte:

  1. Themenkonkurrenz und Nachrichtenangebot: Die Agenda-Setting Funktion eines Beitrages zu einem gegebenen Thema ist, inhaltlich gesehen, auch von der Berichterstattung über andere Themen abhängig.
  2. Aufmachung einer Nachricht: das Thema wird für besonders wichtig oder außerordentlich problematisch gehalten.
  3. Subjektive Konstruktion eines Themas.
  4. Konsequenzen einer Veränderung der wahrgenommenen Wichtigkeit: Brosius glaubt, dass es sich dabei vermutlich um gar keine eigenständige Theorie handelt, sondern eher um eine Wirkungsform, die in allgemeinere Medienwirkungstheorien einzubauen ist.

5.3.8. Die These von der wachsenden Wissenskluft

Wissensunterschiede sind nicht durch Bildung oder sozioökonomischen Status gleichsam unabänderlich vorherbestimmt, sondern es kommt darauf an, ob man den Informationen überhaupt Interesse entgegenbringt. In der Tat hat sich dieser Zusammenhang – wohl nicht ganz unerwartet – als erklärungskräftig erwiesen. „Readers of a newspaper covering an issue heavily knew more about the issue than did nonreaders, regardless of educational level.“

Man liegt aber auch falsch, wenn man davon ausgeht, dass der Anstoß für die Veränderung von Wissensunterschieden in der Bevölkerung nur von einer Zunahme der Medienberichterstattung ausgeht.

5.3.9. Die Schweigespirale

Die Schweigespirale ist eine Theorie über die Wirkungen der Massenmedien, die sie eng mit dem Entstehen der öffentlichen Meinung verknüpft.

BASIS DER THEORIE: Furcht des Menschen vor sozialer Isolation. Es wird behauptet, dass Menschen ihre eigene Meinung dann eher verschweigen, wenn sie die Mehrheitsmeinung gegen sich glauben. Es wird angenommen, dass sie ihre Überzeugungen auch öffentlich zeigen, wenn sie glauben, der Mehrheitsmeinung anzugehören.

Schweigespirale heißt nun: Weil Menschen nicht isolieren sein wollen, beobachten sich pausenlos ihre Umwelt und können aufs feinste registrieren was zu- und abnimmt.

Meinungsklima sind „Vorstellungen der Menschen, welche Ansichten und Verhaltensweisen gebilligt bzw. abgelehnt werden. Diese Vorstellungen sind aus Umweltbeobachtungen gebildet.“

Der Prozess der Schweigespirale finde nur unter bestimmten Rahmenbedingungen statt:

  • Es muss sich um Meinungen oder Einstellungen handeln, die in Veränderung sind.
  • Es muss sich um Meinungen handeln, die eindeutig moralisch belegt sind.
  • Es muss sich um Prozesse handeln, in denen die Massenmedien eine identifizierbare Position einnehmen.
  •  

5.4. Strukturen der modernen Massenkommunikationsgesellschaft

Zentral ist die Frage nach dem Zustandekommen von Wirklichkeit. Schulz sagte, dass die Massenmedien in der Regel die Wirklichkeit NICHT repräsentieren: Die in den Medien dargebotene Wirklichkeit repräsentiert in erster Linie Stereotype und Vorurteile der Journalisten, ihre professionellen Regeln und politischen Einstellungen, die Zwänge der Nachrichtenproduktion und die Erfordernisse medialer Darstellung. Sie lässt nur bedingt Rückschluss zu auf die physikalischen Eigenschaften der Welt, die Strukturen der Gesellschaft, den Ablauf von Ereignissen, die Verteilung der öffentlichen Meinung. Wir haben es durchgängig mit einer offensichtlich verzerrten Medienrealität zu tun, die der objektiven Wirklichkeit nicht entspricht.

PTOLEMÄISCHE PERSPEKTIVE: Eine Gefahr wird in den Massenmedien gesehen, wenn sie ebendiese  verzerrte Medienrealität in eine interne Realitätsvorstellung (in unserem Bewusstsein) überführen. Aus medienpolitischer Perspektive ergibt sich daraus das Ziel, die Objektivität, Ausgewogenheit, Neutralität der Berichterstattung möglichst zu garantieren.

Es gibt zwei Positionen zur medialen Realitätsdeformation.

KOPERNIKANISCHE PERSPEKTIVE:  Massenmedien werden nicht mehr nur als Instrumente zur Verbreitung und Speicherung von Information gesehen, sondern eher als Instanzen der Selektion und Sinngebung, die aktiv in die gesellschaftliche Konstruktion von Wirklichkeit eingreifen, Sie gelten als Institution mit unverzichtbaren Leistungen für das soziale System. Medien gelten als integraler Bestandteil der Gesellschaft, als aktives Element in einem sozialen Prozess, aus dem eine Vorstellung von Wirklichkeit erst hervorgeht. Schulz nennt die Medien Weltbildapparate, denn indem sie Fakten und Ereignisse auswählen, verarbeiten, und interpretieren, sind sie Teil eines kollektiven Bemühens, Realität zu konstruieren und diese Konstruktionen durch Veröffentlichung allgemein zugänglich zu machen. Wirklichkeit an sich ist nach dieser Position zwar real existent, aber immer erst über Informationsverarbeitungsprozesse konkret erfahrbar. Eine Überprüfung der Medienrealität an einer von subjektiver Informationsverarbeitung, von Selektion und Strukturierung unbeeinflussten, gleichsam ‚reinen’ Realität ist nicht möglich.

Objektivität, Wahrheit, Neutralität als Prinzipien journalistischen Handelns gelten als idealtypische Zielvorstellungen, als handlungsleitende Normen, die das faktische Verhalten bestimmen sollen.

Forschungsleitende Fragen sind: Wie bilden Medien die Wirklichkeit ab? Wie konstruieren die Medien die Wirklichkeit? Worin bestehen die Selektions- und Interpretationsregeln, nach denen Realität für uns in den Nachrichtenmedien definiert wird?

Erst wenn man Antworten auf diesen Fragen hat, kann man das Ergebnis in seiner Bedeutung für das gesellschaftliche System einschätzen, bzw. man kann es z.B. daran messen, „ob es unseren Wünschen und Vorstellungen von Realität entspricht, oder dem, was wir – aus politischen, moralischen, weltanschaulichen Gründen – für richtig oder zweckmäßig halten.“

5.4.1. Realität als mediale Konstruktion

Nur durch die Unterbrechung und Reduktion der raum-zeitlichen Kontinuität und der Ganzheit des Weltgeschehens lässt sich Realität in Nachrichten umsetzen. Die elementaren Kennzeichen medialer Berichterstattung sind Auswahl und Interpretation.

Journalist als Schleusenwärter

Konzept des „GATEKEEPERS“ mit dem die Schlüsselposition einzelner Entscheidungsträger in sozialen Gruppen verdeutlicht werden sollte, auf den Prozess der Nachrichtenauswahl. Die Input-Output-Analyse zeigt Dispositionen und Einstellungen auf die Selektionsentscheidungen. So erkennt man neben dem Einfluss der individuellen Prädispositionen auf die Nachrichtenauswahl auch den Einfluss institutioneller Faktoren: Damit ist gemeint, dass kein Journalist als isoliertes Individuum zu betrachten ist, sondern stets auch Mitglied einer Nachrichtbürokaratie. Außerdem dürfen seine Entscheidungen nicht unabhängig von seiner Stellung innerhalb der Redaktion gesehen werden.

News Bias. Hier geht es darum, Unausgewogenheiten, Einseitigkeiten und politische Tendenzen in der Berichterstattung zu messen, sowie Aufschluss über deren Ursachen zu erlangen. Studien in Rahmen der News Bias Forschung zeigen, dass Journalisten durchaus politisch handeln, indem sie insbesondere bei gesellschaftlich relevanten und konfliktreichen Themen (bewusst oder unbewusst) einseitig berichten. Nachrichten können auch als Mittel zum  Zweck der Unterstützung bestimmter Ziele eingesetzt und damit analysiert werden.

Die Nachrichtenfaktoren

Sie sind Kriterien der Selektion und Verarbeitung von Nachrichten. Bei jeder Nachricht gibt es bestimmte Faktoren, die sie beachtenswert, interessant und schmackhaft machen. Die Journalisten haben mehr oder wenigen implizit Vorstellungen davon, was den Interessen und Wünschen des Publikums entspricht, deshalb gelten bestimmte Nachrichtenfaktoren.

Östgaard nennt drei Faktoren:

  1. Einfachheit: Nachrichten vereinfachen.
  2. Identifikation: Verarbeitung => Personifizierung. Selektion => Berichte über Leute mit Macht oder Einfluss.
  3. Sensationalismus: Außergewöhnlich bzw. unerwartete Nachrichten.

Schulz‘ journalistische Hypothesen über die Realität

Je mehr eine Meldung dem entspricht, was Journalisten für wichtige und mithin berichtenswerte Eigenschaften der Realität halten, desto größer ist ihr Nachrichtenwert. Nachrichtenfaktoren nach Schulz:

  1. Zeit (Dauer, Thematisierung)
  2. Nähe (räumliche Nähe, politische Nähe, kulturelle Nähe, Relevanz)
  3. Status (regionale Zentralität, nationale Zentralität, persönlicher Einfluss, Prominenz)
  4. Dynamik (Überraschung, Struktur = Eindeutung)
  5. Valenz (Konflikt, Kriminalität, Schaden, Erfolg)
  6. Identifikation (Personalisierung, Ethnozentrismus)

Die Nachrichtfaktoren besitzen einen generellen Einfluss auf die Selektionsentscheidungen der Journalisten. Medien können Realität nicht einfach passiv abbilden, sie entwerfen vielmehr selbst aktiv eine Vorstellung von Wirklichkeit => Wirklichkeit als mediale Konstruktion. Nachrichten können auch als Mittel zum Zweck der Unterstützung bestimmter Ziele eingesetzt und damit analysiert werden.

Nachrichten – Mittel zum Zweck?

Bei der kausale Betrachtungsweise der Nachrichtenauswahl werden die Nachrichtenfaktoren von Ereignissen bzw. Meldungen als Ursachen und die journalistische Selektion als Wirkungen betrachtet. Nachrichten können auch als Mittel zum Zweck der Unterstützung bestimmter Ziele eingesetzt und damit analysiert werden.
Die Berichterstattung über das jeweilige Ereignis ist dazu angetan, die Aufmerksamkeit von Rezipienten zu gewinnen. Damit ist die Intentionalität journalistischen Handelns bereits als allgemeines theoretisches Kalkül angelegt.

In der finalen Betrachtungsweise (Kepplinger) der Nachrichtenauswahl wird die Selektion von Journalisten nicht als eine direkte Reaktion auf Ereignisse gesehen, sondern als Zielgerichtete Handlungen.

„Instrumentelle Aktualisierung“ (Kepplinger) (typische Elemente der macht erkennbar aktueller massenmedialer Wirklichkeitskonstruktion) Damit ist gemeint, dass die Massenmedien über bestimmte Themen oder Themenaspekte nicht nur deshalb berichten, weil sie eine natürliche Relevanz besitzen, sondern auch deshalb, weil die Kommunikatoren damit bestimmte Ziele verfolgen.  D.h. dass sie im Rahmen politischer und sozialer Konflikte, Ereignisse oder Meldungen als Mittel (Instrument) dienen können, um eine bestimmte Konfliktlösung bzw. politische Entscheidung nahezulegen.

Die Nachrichtenauswahl ist in dieser  Betrachtungsweise als eine an bestimmte Zwecken orientierte Mittelwahl zu verstehen. Überformte Kausalität: Aufgrund der zu erwartenden Publikationsfolgen wählen Journalisten bestimmte Ereignisse oder Themenaspekte aus, die durch ihre Publikationen dann möglicherweise tatsächlich die antizipierten Folgen bewirken.

5.4.2. Realitätsinszenierung in der Massenkommunikationsgesellschaft

Es ist klar, dass Medien die Realität nicht abbilden können, sondern uns in der Regel eine höchst selektive, ungenaue, tendenziöse, verzerrte und daher konstruierte Weltsicht bieten.

Die Nachrichtenfaktoren sind ein allgemein verbindlicher Konsens im Journalismus, die für die Selektions- und Interpretationsprozesse dienen. Es wurde behauptet, dass selbst dieser Nachrichtenwert den Fakten und Ereignissen nur sehr bedingt selbst anhaftet: Themen gewinnen oft genug deshalb mediale Aufmerksamkeit, weil sie die Kommunikatoren instrumentalisieren.
DAS PSEUDO EREIGNIS:  Es ist wichtig zu wissen, dass sehr viele Ereignisse unabhängig von der (potentiellen) Berichterstattung überhaupt nicht existieren würden. Das was uns Medien als Berichte über die Wirklichkeit präsentieren ist – zum Zweck der Berichterstattung – inszenierte Realität. Dabei machen sich die Akteure die Kenntnis journalistischer Selektionskriterien zunutze, um die Nachrichtengebung in ihrem Sinne zu beeinflussen, sie betreiben gezieltes Ereignismanagement. Die Ereignisse sind dabei ein Mittel zum Zweck der Berichterstattung. Es geht im Wesentlichen um die Wahl eines geeigneten Mittels, das die Publikation stimulieren soll. Der Begriff vom Pseudo-Ereignis, der darunter ein Geschehen versteht, das von irgendjemandem geplant, angeregt oder arrangiert worden ist, und zwar vor allem (wenn nicht ausschließlich) zum Zweck der Berichterstattung. Mediatisierten Ereignissen sind Vorfälle die infolge der zu erwartenden Berichterstattung, einen spezifischen, mediengerechten Charakter erhalten (z.B. Olympiaden).

5.4.3. Öffentlichkeitsarbeit und Medien

Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations (PR): „Selbstdarstellung partikulärer Interessen durch Informationen, wobei als Mittel alle Techniken und Formen der Kommunikation denkbar sind.“ Gemeint ist also die Summe aller Aktivitäten, die darauf abzielen, die Öffentlichkeit bzw. relevante Gruppen durch die Darstellung der eigenen Interessen zu beeinflussen, um diese letztlich irgendwann auch durchsetzen zu können. Die Beziehung zwischen PR und Journalismus sind komplex.
Die DETERMINATIONSTHESE stellt die Vermutung vor, dass die Vorstellung vom eigenständig recherchierenden Journalisten, der selbständig Nachrichten und Informationen produziert, Mythos sei, da die Festlegung der Themen und größtenteils auch ihre publizistische Aufbereitung nicht autonom von den Journalisten sondern von den Primärkommunikatoren (PR-Leute oder Informatoren) determiniert werden. Transformationsleistungen der Journalisten:  Die Veränderung des Pressematerials durch Umformulierung oder Kommentierung.

Öffentlichkeitsarbeit hat sowohl die Themen als auch das Timing der Medienberichterstattung unter Kontrolle. Es sind überwiegend die PR-Leute (Primärkommunikatoren oder Informatoren) und nicht die Journalisten, die Themen forcieren und die publizierte Wahrheit konstruieren. Das sind Forschungsergebnisse, welche die journalistische Recherche bestenfalls zur Nachrecherche verkommen lassen. Aus der Perspektive des Journalismus führen diese Ergebnisse in einem Konflikt mit den normativen Ansprüchen. Trotzdem gibt es eine notwendige Unabhängigkeit von Informationsquellen.

PR-Schaffende müssen sich, um ihr Ziel zu erreichen, den Nachrichtenwerten und der Produktionsroutine der Journalisten anpassen und diese antizipieren. Journalisten honorieren solches Wohlverhalten mit zurückhaltender Transformation der PR-vermittelten Informationen. Die Produkte der Öffentlichkeitsarbeit sind nicht bloß eine notwendige Voraussetzung für die journalistische Berichterstattung, sondern die Übernahme bzw. Verwendung von PR-Material wäre sogar als Entlastung der journalistischen Arbeit zu begreifen. Obwohl PR auf den Journalismus zweifellos Einfluss ausübt, sollte man dabei keineswegs von einem einseitigen (Beeinflussungs-) Verhältnis ausgehen, vielmehr scheint die Vorstellung einer wechselseitigen Einflussbeziehung zwischen diesen beiden Berufsfeldern ein der Realität angemessener Zugang zu sein.

Intereffikationsmodell: Ausgangspunkt ist die Überlegung, dass es sich bei Journalismus und Public Relations um zwei ausdifferenzierte Teilsysteme der öffentlichen Kommunikation handelt, die einander wechselseitig beeinflussen. Sowohl in Journalismus als auch in der Öffentlichkeitsarbeit sind die jeweiligen Kommunikationsleistungen nur möglich weil die andere Seite existiert und mehr oder weniger bereitwillig mitspielt. Ohne PR-Kommunikationsleistungen könnte das Mediensystem seine verfassungsrechtlich geforderte Informationsfunktion, vermutlich aber auch die anderen Funktionen nicht aufrechterhalten, womit sich das Modell der Intereffikation (lat. efficare= etwas ermöglichen) ergibt. Modellhaft wird davon ausgegangen, dass die Kommunikationsleistungen jeder Seite nur dadurch möglich werden, dass die Leistungen der anderer Seite vorhanden sind: Journalismus ermöglicht PR-Leistungen, genauso ermöglichen aber PR-Leistungen auch Journalismus. Das Modell postuliert wechselseitige Induktions- sowie Adaptationsleistungen, und dies in drei unterschiedlichen Dimensionen:

  • Sachlich (Selektion, Thematisierung/Agenda Building, Platzierung, Bewertung, Präsentation)
  • Zeitlich (zeitliche Rahmen und Routinen)
  • Sozial (psychische Voraussetzungen, organisatorische Rahmen und Routinen)

Induktionen werden als Einflüsse definiert, die beobachtbare Wirkungen im jeweils anderen System haben (man spricht auch von PR-induzierter Berichterstattung oder Medienresonanz).

Adaptationen werden als Anpassungen an Regeln beschrieben, an denen sich die jeweils andere Seite ganz bewusst orientiert, um die Bedingungen für den eigenen Kommunikationserfolg zu optimieren.

5.4.4. Resümee – oder: Zuflucht beim Konstruktivismus

  1. Wir haben es durchgängig mit einer verzerrten Medienrealität zu tun, die der objektiven Wirklichkeit bestenfalls in Ansätzen entspricht.
  2. Medien können die Realität nicht abbilden, sie sind als Weltbildapparate zu begreifen, mit denen Journalisten Wirklichkeit konstruieren.
  3. Diese Wirklichkeitskonstruktionen erfolgen nicht zufällig sondern regelhaft: Sie entsprechen Nachrichtenfaktoren.
  4. Nachrichtenfaktoren sind als Interpretationen der Journalisten zu begreifen.
  5. Diese Interpretationen erfolgen nicht zufällig, sondern zielgerichtet: Nachrichten sind in der Regel Mittel zum Zweck.
  6. Den Zweck bestimmen oft nicht die Journalisten selbst, sondern außermediale Instanzen, die die Regeln der Nachrichtengebung für ihre Zwecke instrumentalisieren.
  7. Öffentlichkeitsarbeiter (und damit: außermediale Wirklichkeitskonstrukteure) haben bis zu einem gewissen Grad die journalistische Berichterstattung unter Kontrolle.

KONSTRUKTIVISMUS: Die Wirklichkeit als Konstruktion. Zum Konstruktivismus zählen alle jene philosophischen bzw. erkenntnistheoretischen Strömungen, die sich mit dem Beitrag des Subjekts im Prozess des Erkennens von Wirklichkeit auseinandersetzen. Ausgangspunkt konstruktivistischen Denkens ist die Annahme, dass wir Menschen durch bestimmte Leistungen unseres Bewusstseins die Wirklichkeit konstruieren. Dabei wird angenommen, dass es außerhalb unserer kognitiven Wirklichkeit eine Realität gibt, die den Anlass für unsere Wirklichkeitskonstruktionen bietet. Wie diese Realität an sich ist, entzieht sich unserer Erkenntnismöglichkeit, da wir nur die Wirklichkeit kennen, die wir wahrnehmen und in der wir handelnd und kommunizierend leben.

Wirklichkeit ist in einer von Massenmedien geprägten Gesellschaft also zunehmend das, was wir über Mediengebrauch als Wirklichkeit konstruieren, dann daran glauben und entsprechend handeln und kommunizieren.

Für die professionelle Kommunikatoren bedeutet, dass sie die ihm zugetragenen Mitteilungen nicht nach dem Muster wahr/unwahr bewerten lassen. Vielmehr soll er jede Aussage für eine Version halten, die eine Geschichte erzählt. Die Frage, welcher Version mehr bzw. weniger Gültigkeit attestiert werden kann, ist auch nur in Grenzen überprüfbar. Das Prüfungskriterium (nach Haller) heißt intersubjektive Unstrittigkeit bzw. Konsens, aber im Grunde kann dies nur für solche Informationen gelten, die das Faktische der Sachverhalte (bezogen auf die W-Fragen: wer? was? wann? wo?) beschreiben. Die interpretierenden Kontext-Informationen dagegen, mit denen Zusammenhänge zwischen den jeweiligen Sachverhalten herstellt werden und die diese damit erst erklären (W-FRAGEN:  wie? Warum? ) können unter konstruktivistischem Blickwinkel überhaupt nicht verifiziert werden. Vor allem auf dieser Deutungsebene gilt, dass Mitteilungen „keine Wahrheiten, sondern Versionen sind, die untrennbar mit den agierenden Personen verbunden bleiben“.

Medienschemata ermöglichen uns, die einzelnen Medienangebote nicht als rein zufällige unzusammenhängende Teile wahrzunehmen, sondern mit bestimmten Vor-Erwartungen zu verbinden. Mann muss darauf achten, dass Medienschemata und ihre Bezeichnungen gesellschaftliche Verhältnisse nicht einfach widerspiegeln, sondern vielmehr wichtige Instrumente im gesellschaftlichen Prozess der Wirklichkeitskonstruktion sind.

5.5. Das Fernsehen – Ein Jahrhundertmedium

5.5.1. Fernsehen als gesamtgesellschaftliches Phänomen

Marshall McLuhan. Seine Überlegung war, dass alle Medien (im Sinne von Mittel, die wir zweckgebunden einsetzen) im wesentlichen Erweiterungen bestimmter menschlicher Anlagen darstellen: Etwa das Rad als Erweiterung des Fußes, die Kleidung als Erweiterung der Haut, das Buch als Erweiterung des Auges und schließlich die Elektrizität als Erweiterung unseres Zentralnervensystems. Er war der erste, der sich ganz grundsätzlich mit der Bedeutung der Medien für die Menschen beschäftigte, indem er sie als gesellschaftsgestaltendes Element charakterisiert hat.

Neil Postman. Fernsehen fordert uns nicht auf, etwas zu tun. Die symbolische Form des Fernsehens gibt keine kognitiven Rätsel mehr auf, die im Fernsehen präsentierten Informationen sind unterschiedslos jedem zugänglich.

Joshua Meyrowitz. Er übernimmt den Gedanken, dass die Kommunikationsmedien eine neue kulturelle Umwelt schaffen, und verbindet ihn mit dem handlungstheoretischen Ansatz, der zu erklären suchte, wie Menschen Identität ausbilden. Mehr als jedes andere elektronische Medium hat das Fernsehen die Tendenz, uns in Themen einzubeziehen, von denen wir früher dachten, dass sie uns nichts angehen. Er sieht die Ursachen des gesellschaftlichen Wandels der letzten Jahrzehnte an der Vermischung von Männlichkeit und Weiblichkeit, von Kindheit und Erwachsensein und am Prestigeverlust politischer Autoritäten.

Fernsehen im Alltag: Vielseher sind zu 25% bis 30% in der Bevölkerung vertreten und bringen es auf über 4 Stunden TV-Konsum pro Tag, in Amerika liegt der Wert für Extremvielseher sogar bei durchschnittlich 8 Stunden pro Tag. Der Durchschnitt in Österreich betrug das Jahr 2000 rund zweieinhalb Stunden pro Tag. Fernsehen bietet nun insofern eigene Temporalstrukturen an, als es ganz verschiedene Zeitkonstrukte in sich vereinigt. Fernsehen transportiert Endloszeit (mit einem Programmangebot rund um die Uhr), Nullzeit (durch die Eliminierung der Differenz zwischen Ereignis und Berichterstattung) und Laborzeit (vermittelt durch Montagetechniken, Zeitlupe/Zeitdehnung und Zeitraffer/Zeitverdichtung).

5.5.2. Fernsehen und Realität

Fernsehen wird attestiert, eine Scheinwelt zu vermitteln, ein Stimulationsmedium zu sein, das durch die Illusion der Realitätsvermittlung die Zuschauer derart in den Bann zieht, dass sie meist nicht die Kraft haben, auf Distanz zu gehen, und das audiovisuell Gezeigte für die pure Realität halten. Die Frage ist, ob und inwieweit sich die im Fernsehen gezeigte Realität und die individuelle Lebenswirklichkeit der Rezipienten im Alltag vermischen. Von der strukturell bedingten Verzerrungen der Wirklichkeit zum Verschwimmen der Grenze zwischen der Welt der Tatsachen und der Welt der Fiktion bis hin zur Verwechslung ist nur ein kleiner Schritt.  Dem Fernsehen kommt heute auch eine dominante Rolle in der Vermittlung von Sekundärerfahrungen zu.

5.5.3. Die Kultivierungsthese

Sie unterstellt, dass das Fernsehen dazu beiträgt, die Welt angsterregender zu empfinden, als sie in Wirklichkeit ist, und dass sich die Zuschauer selbst stärker bedroht fühlen, als dies nötig wäre. Diese Kultivierungseffekte zeigen sich bei Vielsehern in höherem Maß als bei Wenigsehern.

Main-streaming meint die vereinheitlichende Wirkung des Fernsehens bezüglich der Meinungen und Einstellungen der Zuschauer: Vielseher aus unterschiedlichen sozialen Gruppen (Sozialschichten),die sich generell in ihren Einstellungen stark unterschieden, haben durch extensiven TV-Konsum ähnlichere Einstellungen zu bestimmten Problemen als die Wenigseher dieser Gruppen. Kritik an der Kultivierungsthese: Es zeigte sich, dass Gewalt im Fernsehen kaum als alleiniger Verursacher für Gewalt in der Realität verstanden werden darf und dass Medien eben stets nur ein Element in einem viel komplexerem Wirkungsgeschehen darstellen.

5.5.4. Fernsehen und Gewalt

Das Fernsehen bietet Handlungsmodelle an, die demonstrieren, wie mit Hilfe illegitimer Mittel (Gewalt) als legitim anerkannte Ziele (Wohlstand, Macht, Prestige, Gerechtigkeit) erreicht werden können.

THESEN ZUR WIRKUNG VOM GEWALT IM FERNSEHEN

Thesenkomplex 1: Verhindert reale Gewalt.
Die Katharsisthese besagt, dass Menschen einen angeborenen Aggressionstrieb haben, der durch die Betrachtung von Gewaltdarstellung ausgelebt werden kann.
Die Inhibitionsthese besagt, dass aggressive Bilder im Fernsehen oder anderen Medien zwar ebenfalls aggressive Impulse beim Zuschauer hervorrufen, aber aufgrund der während der Erziehung erlernten Angst vor Bestrafung diese Impulse unterdrückt werden und daher eine geringere Gewaltbereitschaft beim Betrachter bewirkt.

Thesenkomplex 2: Fördert Gewaltbereitschaft.
Die Stimulationsthese behauptet, dass mediale Gewaltdarstellungen die Aggressionsbereitschaft sowie tatsächlich geübtes aggressives Verhalten beim Betrachter steigern. Wir können unterteilen in:

  • Erregungsthese. Sie nimmt an, dass Medieninhalte generell dazu geeignet sind, die Rezipienten in emotionale Erregung zu versetzen. Da allerdings gerade Gewalt und Sex emotional bewegende Inhalte sind, wird immer mehr explizite Gewalt und Sex in Filmen gezeigt. Je ähnlicher also Modell und Beobachter sind, desto ausgeprägter werden auch die empathischen Reaktionen sein.
  • Imitationsthese. (Lernen am Modell). Sie geht davon aus, dass violente Unterhaltungssendungen die Zuschauer (insbesondere Kinder) mit Handlungsmustern versorgen können, die unter ähnlichen situativen Bedingungen dann in manifestes Verhalten umgesetzt, also nachgeahmt, werden.
  • Suggestionsthese. Hier wird behauptet, dass eine gezeigte Gewalttat derart suggestive Wirkungskraft besitzt, dass es mehr oder weniger direkt im Anschluss daran zu Nachahmungstaten kommt. So könnte man davon ausgehen, dass es jeweils ganz bestimmte Persönlichkeitsstrukturen in besonderen sozialen und psychischen Situationen sind, die eine derartige Nachahmungstat begünstigen.

Thesenkomplex 3: Führt zur Abstumpfung gegenüber Gewalt.
Die Habitualisierungsthese betont die kumulativen, langfristigen Effekte von Medienwirkung. Danach nimmt die Sensibilität gegenüber Gewalt durch den ständigen Konsum von Fernsehgewalt ab. Gewalt wird als normales Alltagsverhalten betrachtet, die Zuschauer beginnen sich daran zu gewöhnen.

Thesenkomplex 4: Keine unmittelbare Wirkung.
Die These der Wirkungslosigkeit wird damit begründet, dass bis heute noch keine einzige langfristig angelegte Wirkungsstudie den Nachweis erbracht hätte, dass Gewaltdarstellungen zu einem Ansteigen tatsächlicher Gewalt führen. Die These bezieht sich auf die individuelle Wirkungsebene und postuliert das Mediengewalt außer in pathologischen Einzelfällen keine reale Gewalt nach sich zieht.

5.5.5. Fernsehen und Bildung

Fernsehen kann bestenfalls Hauslehrer sein, Erzieher und die Eltern kann es nicht ersetzen. Weniger als ein halbes Prozent der Schulleistungen ist durch den Fernsehkonsum bestimmt. Was am ehesten vermutet werden kann, ist eine allgemeine Aktivitätsverminderung bei kindlichen und jugendlichen Zuschauern, sprich der Fernsehkonsum wird ersetzt durch Spaziergehen, Wandern oder ungerichtete Tätigkeiten werden weniger.

5.5.6. Fernsehen und Lesen

Die neuen Bildformen mit der Fotografie in vorderster Linie traten nicht als bloße Ergänzung von Sprache auf, sie waren vielmehr bestrebt, die Sprache als unser wichtigstes Instrument zur Deutung, zum Begreifen und Prüfen der Realität zu ersetzen. Das Sehen statt des Lesens wird zur Grundlage von Überzeugungen. Dies führt zum Verfall der Buchkultur, denn das Lesen verlangt mehr geistige Aktivität und Anstrengung als das Fernsehen.

„More and more“ Regel: Menschen, die ein Medium nutzen, nutzen mehr auch andere Medien.

5.5.7. Fernsehen und Familie

Das Fernsehen fördert die Familie, das Zuhause, aber es kann auch das familiäre Gespräch verhindern, das gemeinsame Spiel oder die Familienfeier. So wie bei allen Medien, dürfen auch beim Fernsehen die Nutzungsmuster nicht isoliert betrachtet werden, sondern im Zusammenhang mit realen und praktizierten Interaktions- und Kommunikationsqualitäten in Familien. Fernsehen erfüllt in verschiedenen Familientypen unterschiedliche soziale Funktionen, wie die Zeitstrukturierung, Konfliktregulierung oder Bereitstellung von Gesprächsmustern. Welche Funktionsvarianten sich dominant entwickeln, hängt von der jeweiligen Lebenssituation und dem sozioökonomischen Status ab. Höhere soziale Schichten fernsehen weniger. Es wird auch deutlich, dass neben der sozialen Schicht das Familienklima, das Erziehungs- und das Gesprächsverhalten eigenständige Faktoren in der Erklärung des Medienverhaltens darstellen.

5.5.8. Die Zerstückelung des Fernsehens

Switching. Es werden parallel laufende Sendungen verfolgt.  Beim Zapping handelt es sich um häufiges Umschalten und Kanalwechsel während laufender Sendungen. Unter Grazing ist so viel wie das Abgrasen aller zur Verfügung stehenden Fernsehkanäle zu verstehen. Flipping ist ein Wechsel des Kanals, wenn die Werbung beginnt. Zipping ist das Überspringen der Werbung auf Videorekordern aufgezeichneten Programmen.

5.5.9. Vielkanalfernsehen, Politik und Videomalaise

Switchen, Zappen, Grazen – all dies ist nur durch eine Vielzahl an Programmen Channel Repertoire möglich. Vielkanalseher verbringen pro Tag im Durchschnitt nahezu doppelt soviel Zeit vor dem Bildschirm wie Wenigkanalseher. Vielkanalseher haben auch ein besonders negatives Bild von Politik. Die sog. Politische Malaise steht für ein Einstellungssyndrom, das neben dem sinkenden Vertrauen in die Effektivität und Integrität von Politikern und Regierung auch noch durch den Eindruck gekennzeichnet ist, dass politische Geschehen immer komplizierter und undurchschaubar wird. In Untersuchungen zeigte sich nun, dass derartige Einstellungskomplexe vor allem bei jenen Personen zu finden waren, die das Fernsehen als wichtigste Quelle für ihre politische Information angeben. Mit dieser Video-Malaise These wurde behauptet, dass das Fernsehen durch negative Politikberichterstattung, die Konflikt und Gewalt überbetont, die Menschen von der Politik entfremdet. „Je mehr Unterhaltung genutzt wird und je unterhaltsamer Politik dargestellt wir, desto eher erfolgt eine Abkehr von der Politik.“ Diese Hypothese gilt für Deutschland aber nicht, da Bildung und politisches Interesse der Bevölkerungen die Hypothese ungültig machen.

5.5.10. Multimedia, Internet und die Zukunft des Fernsehens

Aktuell etikettiert man mit Multimedia eine Entwicklung, die Fernsehgerät, Personalcomputer und Telefon zu einer kommunikativen Universalmaschine vereinigt, in der viele kommunikative Tätigkeiten zusammenlaufen. Es handelt sich im wesentlichen um eine Kombination unterschiedlicher medialer Techniken.

Die Digitalisierung  (Umwandlung bzw. Speicherung aller Informationen in binäre Codierungen) ist die Grundlage für Multimedia, sie stellt die Infrastruktur für den Information Highway dar. Multimedia sind mediale Produkte und Dienstleistungen, die drei gemeinsame Merkmale haben:

  1. Die Möglichkeit der interaktiven Nutzung.
  2. Die integrative Verwendung verschiedener Medientypen, dabei werden dynamische Elemente wie Audio- und Videosequenzen mit statischen Elementen wie Text und Grafiken kombiniert.
  3. Die digitale Technik.

Cyberspace oder Virtual Reality ist die Vernetzung unserer Welt mit Hilfe von Kupfer-, Glasfaserkabeln und Satelliten, in die sich eine ständig wachsende Zahl von Besitzern einlinken. Technisch begann das Internet im Jahre 1969. Internet ist ein Zusammenschluss von regionalen, nationalen und übernationalen Computernetzen, die über Standleitungen weltweit miteinander verbunden sind. Über dieses Netzwerk können Daten von jedem angeschlossenen Computer zu einem anderen gesendet werden.

Das World Wide Web wurde 1989 in Europa (Genf) entwickelt. Es stellt eine Dokumentsammlung dar, die abrufbereit auf Internet-Servern liegt und die in der sog. HTML Sprache verfasst sind. Das WWW ist ein weltweit verzweigtes Hypertext-Informationssystem. Alle HTML-Dokumente sind über ihre URL (Uniform Resource Locator) Adressen abrufbar und auf diese Weise auch relativ mühelos aufzufinden. Damit eröffnet sich erstmals seit Menschengedenken die Chance, eine unüberschaubar große Menge an Information – gleichsam das gesamte Wissen der Welt – einer ungeheuer großen Zahl von Menschen zugänglich zu machen.

Der individuelle Spielraum für den einzelnen Nutzer wird größer, aber das bedeutet zugleich die Gefahr der Ausgrenzung, der Desintegration. So ist es vorstellbar, dass beim Medienpublikum neue soziale Einschränkungen in der Nutzung aufgebaut werden, dass es zu einer Parzellierung der Gesellschaft in Multimedia-Teilnehmer und Nichtteilnehmer kommt. Gesamtgesellschaftlich problematisch wird die Situation jedoch nur unter den Bedingungen eines massiven Medienkannibalismus, d.h. wenn mit der Computerisierung des gesellschaftlichen Informationsflusses traditionelle Medienangebote verschwinden.

Mit Konvergenz ist das zusammenwachsen von Telekommunikations- und Computertechniken gemeint.

Die Telematik (die Verbindung von Telekommunikationsrichtungen wie dem Telefon mit der Computertechnik) verschmilzt gleichsam mit den elektronischen Rundfunkmedien (Hörfunk und Fernsehen, Kabel-TV) zur Mediamatik.

Faktum ist: Mit dem ständig wachsenden Zugang zum Internet vermehrt sich das Angebot an medialen Produkten. Es sollte daher nicht übersehen werden, dass die Mediennutzer bewusst auswählen, und zwar sowohl inhalts- als auch funktionsbezogen. Und diese Auswahlmöglichkeiten werden in Zukunft wohl durch eine strukturelle Eigenschaft des Netzes unterstützt, die mit dem Terminus Interaktivität etikettiert wird.

Selektivität. Das selektive Verhalten der Nutzer wird immer stärker als jene Variable in den Mittelpunkt rücken, die das Rezeptionsverhalten steuert. Unter Selektion kann man derjenige Aspekt des Nutzungs- und Rezeptionsprozesses begreifen „bei dem vor dem Hintergrund begrenzter Ressourcen die aufgenommene Informationsmenge auf ein erträgliches, nützliches oder angenehmes Maß für die Weiterverwendung reduziert wird.“

Während sich der soziologische Interaktivitätsbegriff an einer Beziehung zwischen zwei (oder mehreren) Personen orientiert, die sich gegenseitig wahrnehmen können und in ihrem Verhalten aneinander ausrichten, werden in Gerede von sog. „interaktiven Medien“ das soziologische Verständnis von Interaktion und das der Informatik, das Beziehungen zwischen Mensch und Computer fokussiert, in der Regel miteinander vermischt.

5.6. Funktionen der Massenmedien

Funktionen sind eine gewisse Art von Wirkungen. Auf Massenkommunikation bezogen rücken damit die Leistungen in den Mittelpunkt, welche die Massenmedien für das jeweils ins Auge gefasste Gesellschaftssystem erfüllen. Jedes soziale System muss eine Reihe von Problemen lösen, von denen eine bestimmte Anzahl als Aufgabe formuliert werden können. Sie werden als Leistungen an die Umwelt erbracht und erlangen damit ihre Funktion für die Gesellschaft. Man kann funktionale und  dysfunktional Leistungen unterschieden. Ob ein sozialer Sachverhalt für eine Gesamtgesellschaft positiv funktional oder dysfunktional ist, hängt von der genauen Kennzeichnung der jeweiligen Gesamtgesellschaft ab.

5.6.1. Soziale Funktionen

  • Sozialisationsfunktion. Muster für Rollen. Es gibt vier typische Sozialisatoren: Redaktion, natürliche Personen, literarische Symbolfiguren, Helden.
  • Soziale Orientierungsfunktion. Medien treten als entscheidende Hilfe bei der Lösung von Problemen auf.
  • Rekreations- und Gratifikationsfunktion (Unterhaltung, Eskapismus). Bedarf nach Ablenkung, oder vor der eigenen Realität zu verstecken.
  • Integrationsfunktion. Wenn Medien Denk- und Verhaltensmustern anbieten, oder wenn sie Stoff für Gespräche bieten. Gefahr der Desintegration oder Überintegration.

5.6.2. Politische Funktionen

  • Herstellen von Öffentlichkeit. Öffentlichkeit heißt, dass Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden.
  • Artikulationsfunktion bedeutet dass Medien als Sprachrohr für alle demokratisch akzeptablen Parteien, Verbände und Interessengruppen fungieren.
  • Politische Sozialisations- bzw. Bildungsfunktion. Politischer Integrationsfaktor und auch, dass die Medien für die Heranbildung von sich am politischen Prozess beteiligenden Staatsbürgern einen Beitrag leisten.
  • Kritik- und Kontrollfunktion. Staatsbürger üben Kritik an den Parteien, dies bedeutet auch in gewisse Masse auch Kontrolle über die kritisierten Zustände oder Vorgänge. Wesentlich Voraussetzung dafür: Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Machteinflüssen. Gefahr der neuen Typ des Politikers (aufgrund der drohende Publizität).
  • Korrelationsleistung. Unterschiedliche Standpunkte aufeinander abstimmen und so nicht nur Ausdruck der vorhandenen Meinungsvielfalt sein, sondern diese auch in gewissem Masse verringern. Die Massenkommunikation versteht sich als Wortführer der sprachlosen Massen.

5.6.3. Ökonomische Funktionen

  • Wissensvermittlung
  • Zirkulationsfunktion. Danach unterstützen die Medien die Aktivierung der Ware-Geld-Beziehungen und verkürzen dadurch auch die Umschlagszeit. Kommunikationen fungieren als ein Motor des kapitalistischen Wirtschaftskreislaufes, da die Massenmedien als Werbeträger für konkrete Interessen der Wirtschaft auftreten.
  • Sozialtherapie und Legitimationshilfe. So schlecht wie der/demjenigen geht es mir Gott sei dank nicht. Sie erfüllen die Gebrauchswertansprüche der Rezipienten.
  • Regenerative Funktion
  • Personalisierung. Das bedeutet, dass sie gesellschaftspolitische Themen vornehmlich als Probleme von Personen und deren psychischer Verfassung darstellen. Mit der technischen Perfektion, findet gleichzeitig auch eine Selektion statt => Unzufriedenheit mit dem subjektiven Lebensvollzug => kognitive und emotionale Dissonanzen die durch Medienkonsum einerseits aufgebaut durch dessen Sozialtherapie und Legitimationsfunktion aber auch wieder abgebaut werden können.
  • Herrschaftliche Funktion

5.6.4. Informationsfunktion

Ursprüngliche Funktion der Massenmedien. Sie bringen Ereignisse und Tatbestände näher, die man in der Mehrzahl nicht erfahren hat und von deren Existenz man daher in der Regel auch nichts weiß. Als Information gilt eine Aussage nur „wenn sie uns etwas mitteilt, das uns nicht vorher schon bekannt war.“ Ob eine Mitteilung informativ ist oder nicht, hängt vom Informationsstand des Empfängers ab. Für demokratisch organisierte Gesellschaften lassen sich bestimmte Ansprüche an die Qualität der massenmedialen Informationsvermittlung stellen:

  • VOLLSTÄNDIGKEIT
  • OBJEKTIVITÄT (die Verpflichtung bzw. den Willen zu einer möglichst unverzerrten und daher annehmbaren publizistischen Beschreibung der Wirklichkeit),
  • VERSTÄNDLICHKEIT QUALITÄT DER ERFAHRUNG. Primärerfahrung: eigenen Erlebnissen im direkten Umgang mit den Dingen. Sekundärerfahrung: man erfährt die Reduktion subjektiver Ungewissheit durch Kommunikation (ohne selbst in direkten Kontakt mit ihnen zu treten). Informationsvermittlung via Massenkommunikation präsentieren uns die Massenmedien ständig neue „Wirklichkeiten, die wir als sekundäre Erfahrung längst zu akzeptieren gelernt haben.“
  •  

6. Kommunikationswissenschaft als interdisziplinäre Sozialwissenschaft

6.1. Exkurs: Zur Besonderheit wissenschaftlichen Wissens

WISSENSCHAFT: „Gesamtbestand des logisch nach bestimmten Sachgebieten geordneten Wissens“ Jede Wissenschaft ist durch zwei Tätigkeiten gekennzeichnet:

  • Entdeckung: „die Feststellung einer Beziehung zwischen empirisch erfassbaren Phänomenen.“
  • Erklärung: Eine Erklärung gibt Auskunft darüber, warum unter gewissen Umständen eine bestimmte Qualität eines Zusammenhanges auftritt. In einer Erklärung wird gezeigt, wie empirische Feststellungen aus allgemeinen Annahmen (Hypothesen) ableitbar sind. Im günstigen Fall erwachsen Erklärungen aus einer Theorie.

Ein wesentliches Merkmal wissenschaftlichen Wissens scheint also im Versuch zu bestehen, möglichst allgemein gültige Aussage hervorzubringen. Wissenschaftliche Erklärungen beginnen mit dem Nachdenken über die hinter den beobachtbaren Tatsachen liegenden wirksamen Zusammenhänge.

WISSENSCHAFTLICHE ERKENNTNIS (Entdeckung und Erklärung von Zusammenhängen zwischen Phänomenen) beginnt mit PROBLEMEN. Ein Problem liegt dann vor, wenn etwas in unserem vermeintlichen Wissen nicht in Ordnung ist. Ein Problem steht also immer am Beginn jeder wissenschaftlichen Entdeckung bzw. Erklärung. Das ZIEL wissenschaftlichen Wissenserwerbs kann daher als das Streben nach der Lösung von Problemen begriffen werden.   

WISSENSCHAFTLICHES FACH: „Ein abgegrenztes und konstruiertes Konglomerat von Problemen und Lösungsversuchen.“ In allen Fällen ist es der Charakter und die Qualität des Problems, die den Wert oder Unwert der wissenschaftlichen Leistung bestimmt.

Eine Wissenschaft benötigt man also immer dann, wenn ein Problem durch vorhandenes oder verfügbares Wissen nicht mehr gelöst werden kann. Dann muss das vorhandene bzw. verfügbare Wissen dadurch erweitet werden, dass man nach allgemeingültigen Aussagen sucht, die hinter den beobachtbaren Phänomenen liegen und diese erklären.

6.2. Kommunikationstheoretische Ansätze: Eine Systematik

Es gibt bei theoretischen Ansätzen solche, die eine große und solche die nur eine eher kleine Reichweite beanspruchen. Die Reichweite einer theoretischen Konzeption, also gleichsam die Anzahl der Sachverhalte, die sie zu erklären und zu prognostizieren vermag, hängt von Allgemeinheitsgrad des Objektbereiches ab, den sie zu erfassen sucht.

Kommunikationstheoretische Ansätze können in drei Dimensionen zugeordnet werden:

  1. Einer grundlegenden (‚universalen’) Dimension nach der Sichtweise des Erkenntnisobjektes „Kommunikation“.
    Sie betonen entweder den Aspekt der Übertragung kommunikativ vermittelter Zeichen, den Aspekt der Wechselseitigkeit aller kommunikativen Prozesse, oder sie stellen den Tatbestand der Umweltbezogenheit kommunikativen Geschehens in den Mittelpunkt.
  2. Einer zweckorientierten (‚funktionalen’) Dimension nach dem Kommunikationsinteresse.
    Sie beantworten die Frage nach dem Verwendungszweck von Kommunikation auf jeweils unterschiedliche Weise. Man kann zwischen dem Ziel der Beeinflussung, der Emanzipation und der Therapie unterschieden.

  3. Einer konkreten (‚gegenständlichen’) Dimension nach der Wahl des kommunikativen Realitätsbereiches.
    Ansätze, die hier zuzuordnen sind, rücken jeweils voneinander unterscheidbare Ausschnitte der kommunikativen Wirklichkeit in den Vordergrund. Für die Kommunikationswissenschaft ist dieser Ausschnitt vornehmlich die öffentliche, massenmedial vermittelte Kommunikation.

Kommunikationstheorie und Kommunikationspraxis sind nicht einander ausschließende Gegensätze, sondern lediglich zwei mögliche Zugangsweisen zu ein und derselben kommunikativen Realität.

6.3. Allgemeine Theorieperspektiven von Kommunikation

Die Merkmale die besonders herausgehoben werden, betonen der Aspekt der Übertragung kommunikativ vermittelter Zeichen, den Aspekt der Wechselseitigkeit aller kommunikativen Prozesse, oder sie stellen den Tatbestand der Umweltbezogenheit kommunikativen Geschehens in den Mittelpunkt.

6.3.1. Kommunikation als Signalübertragung

Eine Nachrichtenquelle produziert eine Information, die von einem Empfänger aufgenommen wird und dort an ihr Ziel gelangt. Zu diesem Zweck muss die Nachricht von einem Sender in ein dem Übertragungskanal angemessenes Signal ungeformt (encodiert) werden.

Informationsniveau: so wird der Umstand, wie verständlich, wie abstrakt, wie konkret, etc. eine Information aufbereitet ist. (So wird jemand, der die Sprache der mathematischen Logik nicht beherrscht, mit den entsprechenden Formeln nichts anfangen können)

Emotive Erlebnishorizont: die Gefühle und Einstellungen, die bei einem Informationsübertragungsprozess wachgerufen werden.

Und schließlich beeinflussen die Interessen, die einem Thema und/oder einer Person entgegengebracht werden, sowohl die Selektion der Information als auch die Qualität des Ver- und Entschlüsselungsprozesses.  

6.3.2. Kommunikation als Interaktion

Kommunikation ist ein Prozess, der stets ein Gegenüber, einen Kommunikationspartner impliziert. Diese Doppelseitigkeit, die jeder Kommunikationsprozess impliziert, wird von zwei fundamentalen theoretischen Perspektiven in den Vordergrund gerückt: Symbolischer Interaktionismus und der Theorie des kommunikativen Handelns.

6.3.2.1. Der Symbolische Interaktionismus

Geht davon aus, dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen, sondern auch in einer symbolischen Umwelt lebt und begreift ihn demgemäß als ein Wesen, das den Dingen seiner Umgebung Bedeutungen zuschreibt.

  1. Menschen handeln den Dingen ihrer Umwelt gegenüber auf der Grundlage der Bedeutungen, welche diese Dinge für sie besitzen.
  2. Die Bedeutung dieser Dinge wird abgeleitet aus den sozialen Interaktionen, die Menschen miteinander eingehen.
  3. Diese Bedeutungen werden dann in einem interpretativen Prozess im Zuge der Auseinandersetzung mit diesen Dingen benützt und gegebenenfalls auch wieder verändert.

Kommunikation erscheint als ein Prozess, in dem Menschen mit Hilfe von Symbolen (verbalen und nonverbalen Natur) einander wechselseitig Bedeutungen ins Bewusstsein rufen. Erfolgreiche Kommunikation im Sinne von Verständigung bedarf eines Abstimmens der zu setzenden kommunikativen Aktivitäten im Hinblick aufeinander. Kommunikation beinhaltet Übernahme von Rollen. Sie impliziert, dass der einzelne Kommunikator sich vorstellt – in sich selbst als Reaktion hervorruft – wie der Empfänger seine Kommunikation aufnimmt. Diese (wechselseitig) erwarteten Interpretationsleistungen bestimmen den Ablauf der jeweiligen kommunikativen Interaktion. Verständigung kommt nur zustande, wenn wenigstens sehr ähnliche Perspektiven unterstellt bzw. geweckt werden.

Dies trifft auch für Signifikante Symbole zu: wenn beide Kommunikationspartnern gemeinsame Erfahrungsgrundlage besitzen und daher auch im Bewusstsein beider Partner dieselben bzw. sehr ähnliche Bedeutungen aktualisieren. Diese Theorie ist die zentrale Wurzel des  Nutzenansatzes (Aussagen hätten nicht Bedeutung an sich, sondern erhalten ihren Stellenwert in unserem Alltag erst aus der Art und Weise heraus, wie wir mit ihnen umgehen, wozu wir sie nutzen) Auch was die Entwicklung von Identitätsvorstellungen betrifft, leisten Medien demnach ihren Beitrag: Indem sie Rollen vor Augen führen und auf diese Weise vielfältige Möglichkeiten zur Identifikation und damit zur Entwicklung eines Selbst-Bewusstseins bieten.

6.3.2.2. Die Theorie des kommunikativen Handelns

Im Mittelpunkt seiner Kommunikationstheorie steht das Bemühen, den Prozess der Verständigung von seinen humanspezifischen Grundbedingungen her zu durchleuchten. Aufgabe der von ihm angestrebten Universalpragmatik oder einer Theorie der kommunikativen Kompetenz ist es, universale Bedingungen möglicher Verständigung zu identifizieren und nach zu konstruieren.

Sprechakt oder Sprechhandlung = zentrale Kategorie kommunikativen Handelns.

Sprachkompetenz = die Fähigkeit eines Sprechers, infolge des Verfügens über ein grammatikalisches Regelsystem einen sprachlich einwandfreien Satz hervorzubringen.

Kommunikativen Kompetenz = Fähigkeit eines Sprechers, einen wohlgeformten Satz in Realitätsbezüge einzubetten. Ein verständigungsbereiter Sprecher handelt in diesem Sinn nicht bloß sprachfähig sondern v.a. auch kommunikationsfähig.

  • Der Anspruch der Verständlichkeit (verständlich ausdrücken)
  • Der Anspruch der Wahrheit (wahren Inhalt)
  • Der Anspruch der Wahrhaftigkeit (man muss sich verständlich machen: er muss den Willen zur Selbstdarstellung <= zur Darstellung des in bzw. mit seiner Sprechhandlung verfolgten Interesses geben, damit der Hörer der Äußerung des Sprechers auch glauben bzw. vertrauen kann)
  • Der Anspruch der Richtigkeit (Er weiß, dass er eine Äußerung wählen muss, die es erlaubt, dass Sprecher und Hörer sich miteinander verständigen)

WIRKLICHKEITSDIMENSIONEN: Die objektive Welt als die Gesamtheit aller Entitäten, über die wahre Aussagen möglich sind. Die subjektive Welt als die Gesamtheit der privilegierter zugänglichen Erlebnisse des Sprechers. Die soziale Welt als die Gesamtheit der legitim geregelten sozialen Beziehungen.

VERSTÄNDIGUNG erscheint somit als der Prozess der Herbeiführung eines Einverständnisses. Sie kann also nur auf der vorausgesetzten Basis dieser gemeinsam anerkannten Geltungsansprüche zustande kommen. Die gemeinsame Anerkennung dieser reziprok erhobenen Geltungsansprüche erweist sich nunmehr auch als zentrales Element jener universalen Bedingungen möglicher Verständigung, die nach Habermas die allgemeinen Voraussetzungen kommunikativen Handelns überhaupt darstellen. Die Hintergrundkonsense bezeichnete Voraussetzungen jeder kommunikativen Interaktion bestehen nämlich:

  • Im wechselseitigen Wissen der Kommunikationspartner, dass jeder von ihnen die genannten Geltungsansprüche erheben muss, wenn Kommunikation (im Sinne von Verständigung) zustande kommen soll.
  • Im gegenseitigen Unterstellen der Kommunikationspartner, dass sie diese Kommunikationsvoraussetzungen auch tatsächlich erfüllen (die Geltungsansprüche zu Recht erheben).
  • In der gemeinsamen Überzeugung, dass die erhobenen Geltungsansprüche entweder bereits eingelöst sind oder jederzeit eingelöst werden könnten.

Im DISKURS versucht man, ein im kommunikativen Handeln (naiv) vorausgesetztes, nun aber problematisch gewordenes Einverständnis durch Begründung wiederherzustellen, um kommunikatives Handeln fortsetzen zu können. Im Diskurs werden kommunikative Handlungen bzw. die jeweils problematisch gewordenen (und daher nicht mehr naiv vorausgesetzten) Geltungsansprüche selbst zum Thema von Kommunikation.

In dem Moment, wo wir versuchen, mit unserem(-en) Kommunikationspartner(n) in einen Diskurs einzutreten, oder auch schon in dem Moment, wo wir bloß unterstellen, dazu jederzeit in der Lage zu sein, nehmen wir jedoch eine Idealisierung vor, die niemals zur Gänze (sondern bestenfalls ansatzweise) realisierbar ist: wir unterstellen nämlich eine ideale Sprechsituation.

Um überhaupt kommunizieren und Verständigung herstellen zu können, muss jeder kommunikativ Handelnde – gewissermaßen wider seine Erfahrungen –  die Existenz der idealen Sprechsituation voraussetzen. Insgesamt stellt der universalpragmatische Denkansatz also tief greifende Einsichten in den Prozess der Verständigung bereit.

Mit Hilfe des Verständigungsbegriffes (aus der Theorie des kommunikativen Handelns) lassen sich Schwachstellen in realen, empirischen Verständigungsprozessen diagnostizieren.

VERSTÄNDIGUNGSORIENTIERTE ÖFFENTLICHKEITSARBEIT (PR)

Wirklichkeitsdimensionen (damit ein Verständigungsprozess zwischen Projektbetreibern und den betroffenen Teilöffentlichkeiten zustande kommen kann). Verständigungsorientierte Öffentlichkeitsarbeit verlangt demnach Kommunikation auf der Ebene der objektiven Welt über die Sachverhalte, die den eigentlichen Interessengegenstand des PR-Betreibers darstellen. Auf der Ebene der subjektiven Welt über die Organisation/Institution/das Unternehmen bzw. die Personen, die die gegenständlichen Interessen vertreten und auf der Ebene der sozialen Welt über die Legitimität des Interesses, das vom PR-Auftraggeber verfolgt wird.

Objektive Welt= Wahrheit der thematisierten Gegenstände.

Subjektive Welt= Wahrhaftigkeit des Projektplaners.

Soziale Welt = Richtigkeit. Die normative Angemessenheit des Vorhabens.

Mit Hilfe des Habermasischen Verständigungsbegriffes lassen sich die Voraussetzungen für eine Öffentlichkeitsarbeit definieren, die das seit langem propagierte Selbstbild von Public Relations erst nimmt, wonach der Dialog, die Verständigung und der Interessenausgleich im Mittelpunkt von PR-Aktivitäten zu stehen habe.

6.3.3. Kommunikation in der Gesellschaft

Jeder reale Kommunikationsprozess muss in einem sozialen bzw. gesellschaftlichen Umraum stattfinden. Diese umweltbezogene Perspektive von Kommunikation wird von zwei Blickwinkel aus gesehen: Zum einen wird argumentiert, Kommunikation müsse stets als unabdingbarer Bestandteil menschlicher Arbeitsprozesse gesehen werden. Zum anderen wird davon ausgegangen, dass Massenkommunikation selbst ein soziales System repräsentiert und erst die Analyse ihrer Strukturen und Funktionen den Stellenwert erkennbar macht, der den Medien im jeweiligen Gesellschaftssystem zugesprochen werden kann.

6.3.3.1. Der historische Materialismus

Der historische Materialismus ist eine Theorie über die allgemeinen Entwicklungsgesetze der menschlichen Gesellschaft. Er geht davon aus, dass die Triebkräfte des Geschichtsprozesses aus dem realen Lebensprozess der Gesellschaft selbst hervorgehen, deren Basis die materielle Produktionsweise der jeweiligen Gesellschaft darstellt. In diesem Prozess der Produktion wirken die Menschen auf die Natur ein und erzeugen materielle Güter. Das impliziert, dass auch die zwischenmenschliche Interaktion – und damit auch die Kommunikation- als ein Bestandteil der menschlichen Arbeit zu sehen sind.

„Eben weil Arbeit gesellschaftlich ist, muss ihr Kommunikation zugerechnet werden. Denn ohne Kommunikation könnten die gesellschaftlichen Individuen sich weder bewusst aufeinander beziehen, noch könnten sie sich bewusst auf den Gegenstand ihrer Arbeit beziehen.“ Der eigentliche Begriff und die Bedeutung von Kommunikation wird von diesem Standpunkt aus nur dann erkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt, welche Rolle ihr im Arbeits- bzw. Produktionsprozess zukommt, bzw. welche Funktionen sie hier ausbildet und erfüllt.

Das Kommunikative Prinzip des Marxismus lautet: „Keine Produktion ohne Kommunikation, keine Kommunikation ohne Produktion.“ Das heißt, dass die Gesellschaft weder abstrakt existiert noch abstrakt gefasst werden darf, sondern immer nur als jeweils historisch bestimmte ökonomische Gesellschaftsformation. Auch Kommunikation ist damit also wesentlich ökonomisch determiniert.

Massenmedien sind gezwungen immer neue Varianten der Informationsdarbietung, der Informationsbereiche sowie neue Medien zu suchen. Vorrangiger Zweck sei es eben, möglichst viele Rezipienten als potentielle Käufer zu erreichen. Die moderne Medienökonomie versucht, sich an die gesellschaftliche Bedeutung von Medienprodukten allgemein und von (journalistisch hergestellten) Nachrichten im Besonderen über die ökonomische Güterlehre anzunähern. Medieninhalte gelten als meritorische Güter. Meritorische Güter sind Güter, deren Produktion und Konsum gesellschaftlich erwünscht ist, weil sie einen öffentlichen Nutzen, einen Nutzen für die Allgemeinheit haben.

Journalismus ist auf der einen Seite ein kommerzielles Geschäft, das finanziellen Gewinn abwirft (also ein ökonomisches Gut), aber zugleich auch – insbesondere was seine informativen Produkte betrifft – ein meritorisches Gut. Vor allem in demokratisch organisierten Gesellschaften gibt es ein kollektives Interesse an Information.
Moderne Medienökonomie versucht die Formen der Kommerzialisierung im Mediengeschäft zu beschreiben und deren Auswirkungen auf den Journalismus und die Demokratie zu ergründen und aufzuzeigen. Medienökonomie untersucht also die publizistische Leistungsfähigkeit der Medien im Licht ökonomischer Zusammenhänge.

  6.3.3.2. Die Systemtheorie

Systemtheorie versucht eine nichtmechanistische Analyse der Realität. Ein System kann als eine Menge von Elementen begriffen werden, zwischen denen Wechselbeziehungen bestehen. Wendet man systemtheoretisches Denken nun auf den sozialen Bereich an, so gelangt man zum sozialen System als einem System menschlicher Handlungen. Personen sind – systemtheoretisch gesprochen – Aktionssysteme eigener Art, die durch einzelne Handlungen mit unterschiedlichen Sozialsystemen verflochten sind. Ein soziales System umfasst nämlich keineswegs alle Handlungen einer beteiligten Person. Personen sind wohl Träger des jeweiligen Handlungssystems. Gesellschaft wird begriffen als ein soziales Handlungssystem bzw. als die Summe bestimmter Sozialsysteme, welche(s) nach Bestandserhaltung strebt (streben). Grundanliegen dieser Position ist es, jenen „Satz vitaler Funktionen zu ermitteln und zu differenzieren, die erfüllt sein müssen, um ein System zu erhalten.“

Die funktional-strukturelle Systemtheorie nimmt an, dass sich Systeme auch durch andere funktional-äquivalente Leistungen erhalten können. Darüber hinaus räumt sie ein, dass sich soziale Systeme auch umstrukturieren können und damit auf Veränderungen in ihrer Umwelt reagieren. Der moderne Funktionalismus begreift sich daher als eine Theorie des Systembedürfnisse, denn er „macht Aussagen über Probleme, die ein System lösen muss, wenn es fortbestehen will.“ Fortbestehen kann ein System dann, wenn es die unvermeidlichen Einwirkungen aus seiner Umwelt kompensieren kann, d.h. wenn es imstande ist, jene Probleme zu lösen, die aus Wechselbeziehung System-Umwelt resultieren. Deshalb, weil soziale Systeme im Horizont der funktional-strukturellen Systemtheorie stets als umweltoffen zu denken sind, sich also in ständiger Wechselbeziehung zu ihrer Umwelt befinden, sind (die daraus resultierenden) Probleme als permanente Gegebenheiten zu sehen. Die funktionale Theorie erweist sich damit als System-Umwelt-Theorie.

In der Tat haben soziale Systeme die Funktion der Erfassung und Reduktion von Umweltkomplexität.

Soziale Systeme können sich nur bilden und erhalten, wenn die teilnehmenden Personen Wahrnehmungen und Ansichten austauschen, also miteinander durch Kommunikation verbunden sind. Der Journalismus als strukturiertes Sozialsystem der Weltgesellschaft reduziert die Komplexität und Veränderlichkeit der Weltereignisse durch thematisierte Mitteilungen auf Ausmaße, die eine sinnvoll informierende Kommunikation erlauben. Alle Strukturen des Journalismus sind Vereinfachungsmechanismen, die zur Kommunikationserleichterung dienen. Drei Dimensionen, in denen derartige Prozesse ablaufen: Sozialdimension, Sachdimension, Zeitdimension.

Die Systemtheorie ist eine wissenschaftliche Hilfskonstruktion, ein Denkwerkzeug, das gestattet, Wirklichkeit jedweder Art als System zu begreifen, um dadurch Zusammenhänge bzw. Wechselbeziehungen erkennbar zu machen.

6.4. Ziele von Kommunikation

Im Mittelpunkt steht der funktionale Aspekt von Kommunikation, also die Frage nach der Intentionen, den Absichten bzw. den Interessen, die dazu führen, dass der jeweilige Kommunikationsvorgang überhaupt initiiert wird. Ziele: Beeinflussung, Emanzipation, Therapie.

6.4.1. Beeinflussung durch Kommunikation

Kommunikation als ein Prozess „by which an individual (the communicator) transmits stimuli (usually verbal) to modify he behavior of other individuals (the audience)“.

  1. Kommunikative Stimuli
    • Die Merkmale der vermittelten Aussage
    • Die Merkmale des Kommunikators
    • Die Merkmale des Mediums
    • Die situativen Bedingungen
  2. Prädispositionen der Rezipienten
    • Kommunikationsgebundene Faktoren (vorhandene Einstellungen)
    • Kommunikationsfreie Faktoren (intellektuelle Fähigkeiten)
  3. Interne Mediatisierungsprozesse
    • Aufmerksamkeit
    • Verstehen
    • Annahme

6.4.2. Emanzipation durch Kommunikation

„Der Mensch muss das, was er ist, erst werden und bedarf dazu der Hilfe schon Erwachsener“. Erziehung findet zwischen Erziehender und Edukand statt und ist nur zwischenmenschlich zu verwirklichen. Kommunikation wirkt in allen Objektbereichen der Erziehung. Erst auf der Basis errungenen Kommunikationsfähigkeit kann Erziehung dann ihr eigentliches Ziel verfolgen, nämlich darauf abstellen, „den Menschen durch kommunikatives Handeln zu sich selbst kommen zu lassen“. Das heißt, ihn zu emanzipieren. Emanzipation als Ziel bedarf aber gerade auch emanzipativer Kommunikation als Prozess, denn: „Wer in der Kommunikation unfrei ist, der bleibt es auch in seinen Kenntnissen, Meinungen, Erwartungen und Handlungen.“

  • Voraussetzung für emanzipative Kommunikation ist das Vorhandsein eines Selbst. Und Fremdverständnisses.
  • Emanzipative Kommunikation bedarf auch einer Kommunikativen Ethik.
  • Schließlich setzt emanzipative Kommunikation aber auch eine bestimmte Organisation der Kommunikationsbedingungen voraus.

Emanzipation als Ziel bedarf nämlich gleichermaßen emanzipativer Massenkommunikation. Eine spezifische Mediendidaktik hätte sodann:

  • in kommunikationstechnischer Hinsicht für das Verstehen der den Massenmedien eigenen Sprache zu sorgen,
  • in kommunikationsethischer Hinsicht dafür zu sorgen, dass die Medien nicht als Instrumente zur Realitätsflucht oder lediglich zur Minderung kognitiver Dissonanzen benützt werden, sondern dass man lernt, die Wahrheit von Aussagen einzuschätzen und sich wahrhaftig zu den vermittelten Inhalten in Beziehung zu setzen,
  • in organisatorisch-technischer Hinsicht für symmetrische Kommunikationsbeziehungen in einem übertragenen Sinn zu sorgen.

PUBLIZISTIK- UND KOMMUNIKATIONSWISSENSCHAFTLICH gesehen, münden all diese Überlegungen in die Medienpädagogik. Sie hat folgendes Ziel: „Menschen in die Lage zu versetzen, mit den Angeboten der Massenmedien, vernünftig umzugehen, Manipulationen zu durchschauen, stark selektiv Gebrauch vom reichhaltigen Angebot zu machen, eigene Rechte kennen zu lernen und notfalls gegenüber und in den Medien durchzusetzen.“

Als Gegenstände einer Kommunikationslehre wurden definiert

  1. die Analyse von Massenkommunikation.
  2. die Vermittlung von Lernprozessen mittels Medien
  3. die praktische Gebrauch der Medien zur eigenen Artikulation.

6.4.3. Therapie durch Kommunikation

Kommunikation definiert als das Medium der beobachtbaren Manifestationen menschlicher Beziehungen wird mit (sozialem) Verhalten praktisch gleichgesetzt. Störungen im Bereich des Sozialverhaltens gerinnen damit zu Kommunikationsstörungen, Verhaltenstherapie wird zur Kommunikationstherapie.

Gegenstand der „Watzlawick Axiome Theorie“ ist der pragmatische Aspekt menschlicher Kommunikation: der Umstand, dass jede Kommunikation das Verhalten aller Teilnehmer beeinflusst.

  1. Axiom: „Man kann nicht nicht kommunizieren“ Kommunikation = Verhalten. Jedes Verhalten in Gegenwart noch eines anderen stellt für diesen eine Mitteilung dar und ist daher auch als Kommunikation zu begreifen.
  2. Axiom: Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist. Störungsfreie Kommunikation als Basis für konfliktfreie zwischenmenschliche Beziehungen liegt dann vor, wenn nicht nur auf der Inhalts- sondern auch auf der Beziehungsebene wechselseitige Einigkeit besteht.
  3. Axiom: Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion der Kommunikationsabläufe seitens der Partner bedingt. Die Interpunktion ist die Ordnung, die Gliederung des Kommunikationsablaufes in Verhaltenssequenzen. Die Interpunktion organisiert menschliches Verhalten uns ist ein wesentlicher Bestandteil jeder menschlichen Beziehung. (Er zieht sich zurück – Sie nörgelt – Er zieht sich zurück – Sie nörgelt ….)
  4. Axiom: Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Es gibt zwei Weisen, Objekte darzustellen: Digitale Darstellungsweise (wörtlich, Buchstaben) und analoge Darstellungsweise (Zeichnungen, Karten). Sprache ermöglicht es, komplexe und abstrakte Begriffe auszudrücken, weshalb sich digitale Kommunikation besonders gut für die Übermittlung von Wissen eignet. Die nonverbalen Begleitphänomene sind dagegen analoger Natur. Es besteht also die Notwendigkeit, von der einen Sprache in die andere zu übersetzen, und hier ergeben sich Schwierigkeiten, die die Ursachen von Verhaltensstörungen sein können, denn digitale Kommunikation verfügt über kein ausreichendes Vokabular zur Definition von Beziehungen, und analoge Kommunikation kann ihrerseits wieder nicht eindeutig Inhalte vermitteln. Daher bringt jede Übersetzung vom Digitalen ins Analoge einen Verlust an Information mit sich.
  5. Axiom: Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit beruht.

Kommunikationstherapeutische Interventionen setzen nun bei dem Umstand an, dass Kommunikations- bzw. Verhaltensstörungen, die aus der Verletzung einer oder mehrerer der vorgestellten Grundregeln menschlicher Kommunikation erwachsen, in Form irgendwelcher Symptome manifest werden. Mit Symptom ist dabei etwas Ungewolltes und daher Autonomes gemeint. Ein Symptom ist eine spontane Verhaltensform, so spontan, dass sie sich jeder Beherrschung entzieht und auch vom Patienten als etwas Unbeherrschbares empfunden wird.

Symptomverschreibungen: der Therapeut schreibt dem Patienten vor, genau dasjenige Verhalten auszuführen, das dieser von sich aus bereits an den Tag legt. Gerade dadurch jedoch, dass man ein Verhalten fordert, das üblicherweise spontan abläuft, wird ja die Spontaneität – eben weil sie gefordert ist – unmöglich gemacht.
Darin besteht letztlich auch das Ziel des kommunikationstherapeutischen Ansatzes, das jeweilige Symptom unter Kontrolle zu bringen und dadurch sein weiteres spontanes Auftreten zu verhindern.

6.5. Modelltheoretische Ansätze zur Massenkommunikation

Modelle implizieren in der Regel bestimmte Theorieperspektiven, deshalb könnte man auch von modelltheoretischen Ansätzen sprechen. Unter einem Modell versteht man ein theoretisches Konstrukt, mit dem versucht wird, einen Gegenstand oder einen in der Realität ablaufenden Prozess in seinen Grundzügen darzustellen. Ein Modell erfasst daher niemals alle Merkmale der Realität, auf die es verweist, denn es abstrahiert stets vom Einzelfall und reduziert die Wirklichkeit auf die als wesentlich erachteten Elemente und Beziehungen. Die Konstruktion eines Modells erfolgt deshalb auch unter vereinfachenden Annahmen, die ganz bestimmte Aspekte realer Sachverhalte bzw. Vorgänge herausgreifen und damit einer Analyse zugänglich machen. Ein gutes Modell erfüllt mehrere Funktionen, als wichtigste wären zu nennen:

  • die Organisationsfunktion,
  • die heuristische Funktion,
  • die Prognosefunktion,
  • die Messfunktion,
  • und die normative Funktion.

Die Bedeutung derartiger Modelle besteht darin, dass sie den eigentlichen Gegenstand der Untersuchung (meist auch noch grafisch unterstützt) veranschaulichen.
Wenn sie nicht zu Erklärungen führen, schaffen sie dennoch „die Voraussetzung für die Bildung von erklärenden Theorien, indem sie empirische Befunde und Hypothesen zusammenzuführen helfen“.

6.5.1. Deskriptive Modelle des Massenkommunikationsprozesses

Beeinflussungsprozesse, die zum Zweck der Bestandserhaltung des fokussierten massenmedialen bzw. gesellschaftlichen Systems auf der einen Seite und zum Zweck der Kapitalverwertung auf der anderen Seite inszeniert werden. Sie orientieren sich also einerseits an systemtheoretischem Denken, anderseits am historisch-materialistischen Denkansatz.   

6.5.1.1. Die Lasswell-Formel

A convenient way to describe an act of communication is to answer the following questions:

WER (Komm. Forschung)

sagt WAS (Aussageanalyse)

in welchem KANAL (Medienforschung)

zu WEM (Publikumsforschung)

mit welchem WIRKUNG? (Wirkungsforschung)

Sie dokumentiert nicht nur die Einheit des gesamten Kommunikationsprozesses, sondern macht auch eine Systematisierung der noch relativ unverbundenen Einzelergebnisse Kommunikationsforschung möglich.

6.5.1.2. Das Westley/MacLean Modell

Diese Formel sagt, dass Nachrichtenvermittlung auf Interessen bezogen und zielorientiert ist. Das Modell veranschaulicht den Transmissionsprozess, den eine Botschaft durchläuft, und potentielle Interdependenzen im Verlauf eines derartigen Übertragungsvorganges. Dieses Modell macht deutlich, dass bestimmte Umweltobjekte oder Ereignisse einen Rezipienten nur über einen Gatekeeper erreichen. Ereignisse bzw. Umweltobjekte werden hier als unabhängige, die Selektionsentscheidungen der Journalisten als intervenierende und die Berichterstattung als abhängigen Variablen betrachtet.

6.5.1.3. Das Riley/Riley Modell

Dieses Modell macht deutlich, dass auch Massenkommunikation selbst nicht isoliert gesehen werden darf: Der Massenkommunikationsprozess muss stets als ein Element des Gesamtsozialsystems betrachtet werden, welcher dieses wohl beeinflusst, aber auch umgekehrt von diesem beeinflusst wird. Kommunikator und Rezipient werden als Elemente zweier sozialer Strukturen gesehen „die auf vielfältige Weise in einem Interdependenz-Verhältnis zueinander stehen“.

6.5.1.4. Das Feldschema von Maletzke

Er begreift es als ein Beziehungssystem zwischen den Grundfaktoren Kommunikator, Aussage, Medium und Rezipient und zeigt auf, wie jeder Teil auf die anderen verweist und auch umgekehrt von den anderen beeinflusst wird. Im Mittelpunkt des Kommunikationsfeldes stehen Kommunikator und Rezipient als durch psychische bzw. soziale Merkmale bestimmbare Personen (Gruppen), die über eine von technischen Verbreitungsmitteln transportierte Aussage zueinander in Beziehung treten. Dabei ist es sein Anliegen, nicht nur verhaltensbeeinflussende (psychischen bzw. soziale) Merkmale dieser Personen (Gruppen) herauszustellen, er will darüber hinaus auf das komplexe Interdependenzverhältnis verweisen, das er zwischen allen genannten Feldfaktoren sieht und das im Modell nur annäherungsweise erfasst werden kann.

6.5.1.5. Das Modell elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation

Neue Kommunikationssysteme erlauben sowohl Individual-, Gruppen- und Massenkommunikation. In diesem Sinn kann dann auch das Geschehen im elektronisch mediatisierten Kommunikationsraum nicht mehr allein als Massenkommunikation beschreiben werden „vielmehr finden auf den gleichen Übertragungswegen Gruppen- und Individualkommunikation statt“. Dadurch verliert aber die Dichotomie von Individual- und Massenmedien an analytischem Wert.

6.5.1.6. Das materialische Modell von Hund

Diese Theorie geht von der ökonomischen Formbestimmtheit des menschlichen Zusammenlebens in kapitalistischen Industriegesellschaften aus. Der Kommunikator wird als Nachrichtenproduktionsbetrieb begriffen, der den allgemeinen Bedingungen der Kapitalverwertung unterliegt und dessen oberstes Ziel die Profitmaximierung ist, um im Rahmen konkurrierender Kapitale bestehen zu können. Entsprechend dieser (ökonomischen) Verwertungsgesichtspunkte wird dann auch die Ware Nachricht (die Aussage des Kommunikators) manipuliert. Die Produktion einer Botschaft hat nämlich in erster Linie den Zweck der Verwertung von Kapital.

6.5.2. Zielorientierte Ansätze zum Massenkommunikationsprozess

Aus wissenschaftsgeschichtlicher Perspektive lässt sich die Massenkommunikationsforschung als Geschichte der Medienwirkungsforschung begreifen. Selbstredend stand (und steht) dabei das Ziel Beeinflussung im Mittelpunkt. Man versuchte Antworten auf die Frage zu finden, wie, unter welchen Umständen, in welcher Weise und mit welchen Folgen massenmedial verbreitete Aussagen auf das Denken, Fühlen und Handeln der Rezipienten wirken.

6.5.2.1. Ansätze zu einer Theorie massenkommunikativer Beeinflussung

Die Frage nach Faktoren, die derartige Beeinflussungspotentiale offen legen, kann im Lichte der bislang dargestellten Befunde nun aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden. Aus jeder Perspektive geraten verschiedene Problembereiche und damit auch unterschiedliche Forschungstraditionen:

  1. EINSTELLUNGSFORSCHUNG Wird im Rahmen der Persuasionstheorie die Gestaltbarkeit des Stimulus als der zentrale Problembereich gesehen (S-O-R Perspektive: Stimulus-Objekt-Response). Im Rahmen der Konsistenztheorien gelten die Prädispositionen.
  2. DIFFUSIONSFORSCHUNG Geht der Frage nach, wie die massenmedial verbreiteten Aussagen überhaupt an die Rezipienten gelangen. Opinion leading (typisches Beeinflussungsmuster ) Opinion sharing.
  3. GRATIFIKATIONSFORSCHUNG sieht in den Motiven der Medienzuwendung die zentralen Faktoren.  Nutzenansatz (Uses and Gratifications approach).
    Die Dynamisch-transaktionale Perspektive weist darauf hin, dass das Aussagenangebot und die Motive der Rezipienten entscheidende Faktoren sind, die den Beeinflussungsprozess steuern.
  4. AGENDA SETTING FORSCHUNG wird an die direkte Beeinflussung von Einstellungen durch Massenkommunikation abgeschworen.
  5. KNOWLEDGE GAP FORSCHUNG Diese Erkenntnisse weisen darauf hin, dass es von der Rezipienten abhängt, ob sie neue von den Medien verbreitete Inhalte überhaupt kognitiv erfassen und weiterverarbeiten können.
  6. THEORIE DER SCHWEIGESPIRALE. Die Beeinflussungskapazität wird abhängig von Meinungsklima gemacht. (Aufgrund einer angenommenen Isolationsfurcht wird unterstellt, dass sich Menschen eher der Mehrheits- als der Minderheitsmeinung anschließen)
  7.  
6.5.2.2. Emanzipatorische Ansätze Massenkommunikation

Hier sollen Konzepte vorgestellt werden, die auf die Umwandlung der Gesellschaft und im Zuge dessen auch  auf Veränderungen im Bereich der Massenkommunikation selbst abzielen. Denn sie sehen in der Umgestaltung massenmedialer Kommunikation die Voraussetzung für einen gesellschaftlichen Wandel, der die Menschen näher an die Wahrnehmung und Durchsetzung ihrer eigenen Bedürfnisse und Interessen bringt. Hier werden drei typische Denkpositionen dieser Art dargestellt:

6.5.2.2.1. Der medienkritische Ansatz von Enzenberger

Er sieht eine Chance zur Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse und damit zur Überwindung des Monopolkapitalismus. Kernpunkt der medienkritischen Position ist der Vorwurf, dass es bis heute nicht gelungen sei, aus den Massenkommunikationsmedien echte Kommunikationsmittel zu machen. Seine grundsätzlichen Forderung: Aus den modernen Massenmedien echte Kommunikationsmedien zu machen, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen. Die Forderung nach Dezentralisierung der Massenkommunikation: nicht einige wenige sollen zentral gesteuert ein Programm für viele machen, sondern alle sollen sich an einem Programm für alle beteiligen.

6.5.2.2.2. Der demokratiekritische Ansatz von Geissler

Der Ansatz fußt auf den Vorstellungen einer partizipatorisch-pluralistischen  Demokratie, einem politischen System also, in dem eine möglichst einsichtige Teilnahme möglichst vieler Staatsbürger an der Analyse und Entscheidung von politischen Fragen und damit an der Ausübung von Macht und Herrschaft gewährleistet ist. Um nun das Funktionieren derartiger demokratischer Prozesse zu gewährleisten, bedarf es der sog. Politischen Basiskommunikation. Es bedarf der Kommunikation der Staatsbürger mit den politischen Handlungsträgern und Institutionen über die Probleme, die einer Entscheidung bedürfen und/oder für solche Entscheidungen relevant sind. Wie die Menschen in der modernen demokratisch organisierten Gesellschaft die ihnen formalrechtlich zustehenden Partizipationschancen realisieren können, hängt in hohem Masse vom Zustand dieser Massenmedien bzw. von den Leistungen, die sie zu erbringen imstande sind, ab. Mit diesen Leistungen setzt sich Geissler auseinander und versucht der Massenmedien deutlich zu machen, die einer Realisierung echter demokratischer Basiskommunikation im Wege stehen. Diese Hindernisse erwachsen insgesamt aus dem Umstand, dass sich die über die Massenmedien vermittelte politische Basiskommunikation heute im wesentlichen als eine manipulierte darstellt.

Die von den Medien vermittelten Inhalte sind jedoch auf mehrfache Weise manipulativer Natur: sie sind charakterisiert durch politischen wie sozialen Konformismus. Politische Informationen und Kommentare treten gegenüber Unterhaltung, Sensation und Werbung zurück; zudem sind die Grenzen zwischen Information und Unterhaltung verwischt: Politik wird als amüsante Show präsentiert. Als manipulative Auswirkungen derartiger manipulativer Inhalte nennt Geissler schließlich an Desinteresse an politischen Fragen, ein Verkommen der Fähigkeit zu kritischer Reflexion und ein Aufkommen politischer Apathie, ein Ausbleiben von Auflehnung zugunsten einer Anpassung an bestehende Verhältnisse und damit letztlich eine Stabilisierung der bestehenden Gesellschaft- und Herrschaftsverhältnisse.

Welche Leistungen sind nun von den Massenmedien zu fordern, damit sie zur Herstellung einer echten demokratischen Basiskommunikation beitragen können?

  • Ideologiekritische Herstellung von Transparenz
  • Artikulation von Interessen
  • Pluralistische Kompensation (Es entspricht, dass alle die Möglichkeit haben sollen, ihre Interessen über die Massenmedien öffentlich zum Ausdruck bringen: Kommunikationsgerechtigkeit oder kommunikative Chancengleichheit. Die Massenmedien haben die Aufgabe, bestehende Ungleichheiten in den Einflusschancen auszugleichen)
6.5.2.2.3. Der Verständigungsorientierte Ansatz nach Habermas

Ein Diskurs kann nur stattfinden wenn beide Kommunikationspartnern davon ausgehen, dass er die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, Standpunkte in das Gespräch einzubringen und auch durchzusetzen. Die zwei Bedingungen dafür sind:

Allgemeine Zugänglichkeit, dies bedeutet, dass im Grunde bei allen Themen niemand vor der Entscheidungsfindung ausgeschlossen ist. Journalisten machen das Mitdenken und Mitreden möglich (Aufgabe des politischen Journalismus in demokratisch organisierten Gesellschafen).

Rationale Diskussion soll im Hinblick auf den Journalismus in demokratischen Gesellschaften dann heißen, dass auch in der veröffentlichten – und damit allgemein zugänglichen – Diskussion einer vernünftigen, argumentativ begründeten Auseinandersetzung Vorrang eingeräumt wird und Medienmacht nicht primär manipulativ eingesetzt wird.  Beide Momente zusammen, allgemeine Zugänglichkeit und rationale Diskussion, bringen schließlich eine kritische Publizität hervor, die dann die manipulative Publizität zu verdrängen hätte. Der Sinn einer kritischen Publizität besteht darin, öffentliche Diskurse zu ermöglichen, die dann im Zusammenspiel mit der institutionell verfassten politischen Willensbildung eine kommunikative Macht eigener Art darstellen: „Diskurse herrschen nicht. Sie erzeugen eine kommunikative Macht, die die administrative nicht ersetzen, sondern nur beeinflussen kann. Dieser Einfluss beschränkt sich auf die Beschaffung und den Entzug von Legitimation.“

7. Der Objektbereich einer sozialwissenschaftlich orientierten Publizistik und Kommunikationswissenschaft

7.1. Kommunikation als sozialwissenschaftliche Kategorie

Die Leistungen, die in Kommunikationsprozesse stattfinden, lassen sie sich in unmittelbare und mittelbare Funktionen unterscheiden.

UNMITTELBARE FUNKTIONEN

Sie Sind Folgen konkreten kommunikativen Handelns, die von einem Kommunikator (mehr oder weniger bewusst) intendiert werden. ZIEL: Herstellen von Verständigung und Realisierung jeweils verfolgter Kommunikationsinteressen. Situationsgebundenen Interessenrealisierung: wenn das spezielle Ziel das mit einer kommunikativer Handlung verfolgt wird, kurzfristig einlösbar ist. Situationsübergreifenden Interessenrealisierung: wenn das spezielle Ziel, das mit kommunikativem Handeln verfolgt wird, erst längerfristig einlösbar ist.

MITTELBARE FUNKTIONEN

Gemeint sind Leistungen, die sich nicht mehr nur aus einzelnen kommunikativen Handlungen ergeben, sondern die erst dem Kommunikationsprozess insgesamt zugeschrieben werden können. In evolutionstheoretischer Hinsicht der Stellenwert von Kommunikation im Verlauf der Anthropogenese zu beachten, phylogenetischen Menschwerdung, ontogenetische Menschwerdung, soziale Persönlichkeitsgenese, gesamtgesellschaftliche Evolution.

Es soll erkennbar werden, dass unmittelbare und mittelbare Funktionen nicht isoliert zu betrachten sind, sondern stets ineinander übergehen. Real ablaufende Kommunikationsprozesse, die zunächst auf Verständigung und Interessenrealisierung hin ausgerichtet sind, beeinflussen auch die ontogenetische Existenzdimension des Menschen. Ds heißt, sie sind für die jeweils individuelle Persönlichkeitsentwicklung sowie für die gesamtgesellschaftliche Evolution von Bedeutung und tangieren damit letztlich auch die phylogenetische Weiterentwicklung der Gattung selbst.

Es wird davon ausgegangen, dass mit Kommunikation nur ein einziger Faktor menschlichen Lebens in den Mittelpunkt gerückt ist; ein Faktor allerdings, der dieses auf sehr tief greifende Weise bestimmt, da er für die zentralen menschlichen Existenzdimensionen und Realitätsbereiche von Bedeutung ist.

Mit Kommunikationsproblemen haben wir es immer dann zu tun, wenn

  • Verständigung zwischen Kommunikationspartnern nicht zustande kommt.
  • Situationsgebundene und/oder situationsübergreifende Kommunikationsinteressen nicht realisiert werden können.
  • Kommunikationsprozesse insgesamt nicht jene Leistungen für den Menschen bzw. für die Gesellschaft erbringen, die ihnen vom Standpunkt jeweils zugrunde gelegter Vorstellungen von Mensch und Gesellschaft zugeschrieben werden.
  •  

7.2. Resümee: Zum Sinn des vorliegenden Orientierungsrahmens

Die Identität einer wissenschaftliche Disziplin lässt sich von zwei Perspektiven diagnostizieren:

  • NORMATIV: Der Weg führt von der Theorie zur Praxis. Dieser Perspektive ist eher in wissenschaftlichen Besinnungspausen anzutreffen.
  • EMPIRISCH: Der Weg führt von der Praxis zur Theorie. Mit dieser Perspektive ist gleichsam die Entstehungsphase einer Wissenschaft erfasst.  

In der Publizistik- und Kommunikationswissenschaft findet man drei Argumentationsschwerpunkte, die eigentlich schon im Terminus Publizistik enthalten sind, wenn man ihn mit öffentliche Kommunikation gleichsetzt.

  • Es ist deutlich, dass Massenkommunikationsprozesse erst unter Rückgriff auf elementare Prinzipien der Humankommunikation hinreichend erfassbar ist.
  • Die Kommunikationswissenschaft kann ihre Problemstellungen nicht auf die Massenkommunikation reduzieren. (Kommunikation= Primärwissenschaft für Humankommunikation)
  • Plädoyer für Interdisziplinarität – bisweilen auch als Multi- oder Transdisziplinarität anzutreffen.