In diesem Artikel behandle ich die literarische Strömung der „Wiener Moderne“ und ihre zwei wichtigsten Protagonisten.
Die Wiener Moderne
Der Naturalismus findet in der österreichischen Literatur kaum Widerhall. Den Dichtern widerstrebt die Darstellung des Hässlichen, des sozialen Elends und des Banal-Alltäglichen. Sie wenden sich der gehobenen Wiener Gesellschaft zu und gründen so eine neue Strömung. Schon um die Jahrhundertwende wurde die „Wiener Moderne“ häufig als Bezeichnung gebraucht. Es gibt aber auch andere Benennungen wie zum Beispiel: „Das junge Wien“, „Jugendstil“, „Dekadenzliteratur“, „Ästhetizismus“ und „Kaffeehausliteratur“, weil sich die Dichter in Kaffeehäusern zum Gedankenaustausch trafen.
Die Geschichten drehen sich hauptsächlich um und in Wien. Wien war bis zum Ende des Ersten Weltkrieges die Hauptstadt der K.u.K.-Monarchie und damit einer der wichtigsten Metropolen Europas. Doch die industrielle Revolution hat auch in der österreichisch-ungarischen Monarchie ein völlig neues Wirtschafts- und Sozialgefüge geschaffen. Diese Entwicklung wurde dazu noch von besonderen Problemen überlagert, die sich aus dem Zusammenleben vieler Völker ergaben. Nationale, wirtschaftliche und gesellschaftliche Spannungen führten zu Krisen. Der Zusammenhalt wurde vielfach nur durch die Symbolfigur Kaiser Franz Josephs I. und durch einen traditionsreichen Verwaltungsapparat gewahrt.
Gesellschaftlicher Wandel
In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts vollzieht sich ein entscheidender Wandel in der Gesellschaft. Es werden Parteien gegründet, die in ihrem Programm die Interessen der Industriearbeiter verankern. 1888 wird die „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei“ gegründet, federführend dabei Victor Adler. Interessenvereinigungen wie Gewerkschaften organisieren ihre ersten großen Zusammenkünfte. Die erste Welle der Sozialgesetzgebung bringt innerhalb weniger Jahrzehnte eine Arbeitszeitregelung, eine Unfall- und Krankenversicherung, ein Arbeitszeitgesetz für Jugendliche und grundlegende Gesetze zur Altersversorgung.
Die Monarchie liegt im Sterben
Wien ist aber auch das kulturelle Zentrum der Monarchie. Für die gehobene Wiener Gesellschaft sind vor allem der extravagante Lebensstil der Kaiserin Elisabeth und der Selbstmord des Kronprinzen Rudolf die wichtigsten Ereignisse. Und gerade diese Gesellschaftsschichten wird in der Literatur der Wiener Moderne dargestellt. Träger dieser Spätkultur sind das Großbürgertum und die Intellektuellen. Die Dichter sind sich aber dessen bewusst, in der Endphase der Monarchie zu leben. Gesellschaftliche Erneuerungen sind unmöglich geworden und sie sehen ihre Welt voll Wehmut und Melancholie. Daher sind grundlegende Motive der Dichtung dieser Zeit das komplizierte Innenleben, die Kommunikationslosigkeit, der Verfall und das Sterben. Großen Einfluss auf die Dichter hatte auch der Begründer der Psychoanalyse, der Wiener Arzt Sigmund Freud.
Hugo von Hofmannsthal
Eine der größten Dichter dieser Zeit war Hugo von Hofmannsthal. Er stammte aus gehobenem Haus und verbrachte fast sein ganzes Leben in Wien. Er wird als Sprachästhet gesehen, der aber auch Bildkraft und Musikalität gekonnt einsetzte. Motive seiner Dichtung sind vor allem das ambivalente Lebensgefühl, das Todesmotiv und das Welttheater. Ambivalent ist das Lebensgefühl des Menschen, weil sie die Schönheit der Welt genießen möchten, doch lähmt das Bewusstsein von der Bedrohung durch den Tod den Lebensgenuss. Das Todesmotiv beschäftigte Hofmannsthal, weil der Mensch die Hoffnung hat, im Moment des Todes den wahren Sinn des Lebens zu erkennen. Das Welttheater symbolisiert den Menschen in seinem „Rollendasein“, welches ihm bis zu seinem Ende schicksalhaft gefangen hält. Um die Jahrhundertwende geschieht ein Wandel in der Dichtung Hugo von Hofmannsthals. Die Erkenntnis, dass er nicht den Sinn des Lebens deuten und nicht mitteilen kann, führt in zu einer dichterischen Krise. Er wendete sich nun ganz denjenigen literarischen Formen zu, mit denen er glaubte, das Publikum stärker beeindrucken zu können: dem Drama und der Erzählung.
Arthur Schnitzler
Als Sohn eines bekannten Wiener Arztes übte Schnitzler selbst einige Jahre diesen Beruf aus. Später zieht er sich jedoch ins Privatleben zurück, um sich ganz der Dichtung zu widmen. Schnitzler ist als Dramatiker und als Erzähler bedeutend. Seine Stücke spielen fast ohne Ausnahme im Wien der Jahre 1890-1914. Die Figuren entstammen der höheren Gesellschaft. Wie bei Hofmannsthal ist bei Schnitzler die Welt eine Bühne, auf der die Figuren eine Rolle spielen. Neu an der Dichtung Schnitzlers ist allerdings die psychologische Durchdringung der Figuren. Sexualität und Todesfurcht, sowie deren Verdrängung, bilden die Grundformen der Werke Arthur Schnitzlers. Dazu werden die Figuren meist in eine außergewöhnliche Situation versetzt. Erotik, Ehrgeiz, Zwiespältigkeit, Altern und Tod erscheinen in verschiedenen Variationen. Um die Figuren bestmöglich zu charakterisieren, bedient sich Schnitzler der Technik des inneren Monologs. Damit kann er die Gedanken, Gefühle, Wünsche der Figuren in einer nicht voll ausgeformten Sprache wiedergeben und dabei durch Erinnerungen und flüchtige Assoziationen die Triebfedern ihres Handelns und Denkens aufdecken.