Zusammenfassung: Entgrenzung von journalistischen Arbeitsprozessen

PublizistikIn einem spannenden Beitrag für die Fachzeitschrift Publizistik beschäftigt sich Wiebke Loosen (2005) mit der „medialen Entgrenzungsfähigkeit journalistischer Arbeitsprozesse: Synergien zwischen Print-, TV- und Online-Redaktionen.“ Um was geht es in ihrem Aufsatz konkret?

Laut der deutschen Kommunikationswissenschaftlerin ist eine medienneutrale Produktionsweise ein lang gehegter Traum der Verleger. Bereits in den 80er-Jahren bestand die Idee, Inhalte zeitgleich für TV, Radio und Zeitung aufzubereiten. Diese „Amalgamierung“ der Inhalte wurde aber skeptisch gesehen. Vor allem, weil sich dadurch allein die Inhalte durchsetzen könnten, die mehrfach verwertbar sind. (vgl. Lossen, 2005: S. 304) [ref]Loosen, Wiebke (2005): Zur »medialen Entgrenzungsfähigkeit« journalistischer Arbeitsprozesse: Synergien zwischen Print-, TV- und Online-Redaktionen. In: Publizistik 50 (3), S. 304–319.[/ref]

Derzeit kommt es zu einer „multimedialen Ausdifferenzierung“ journalistischer Medienmarken (vgl. ebd.: S. 305). Durch den technischen Fortschritt der Digitalisierung kommt es zur

  • technischen,
  • funktionalen,
  • ökonomischen,
  • regulativen
  • und rezeptiver Konvergenz.

Loosen zitiert Weischenberg, laut dem Journalismus dadurch immer weniger als ein fest umrissener, identifizierbarer Sinn- und Handlungszusammenhang beschreibbar ist. Es kommt zur Entgrenzung im Journalismus gegenüber der

  • Technik
  • Werbung
  • PR
  • Unterhaltung

Weitere Entgrenzungen können zwischen

  • Fakten / Fiktion
  • Massenkommunikation / Individualkommunikation
  • privat / öffentlich
  • online / offline

festgestellt werden. Diese Aufzählungen betreffen die funktionale Differenzierung. Damit ist die Differenzierung zwischen Journalismus und anderen Funktionssystemen zu verstehen. Davon zu unterscheiden ist die strukturelle Differenzierung, die sich wiederum innerhalb des Journalismus abspielt. (vgl. ebd.: S. 306f)

Empirische Untersuchung von Spiegel, Stern und Fokus

Loosen untersuchte empirisch das Online-, TV- und Print-Angebot der deutschen Zeitschriften Spiegel, Stern und Fokus. Die wichtigsten Ergebnisse der Inhaltsanalyse sind: Ein Viertel aller Beiträge sind Überschneidungsbeiträge, diese Beiträge kommen also mindestens in zwei Medientypen vor. Insgesamt überschneiden sich 67 % der Beiträge im TV mit dem eines anderen Mediums, 38 % im Print und 20 % Online. Dass Online am wenigsten Überschneidungen aufweist, liegt auch daran, dass hier am meisten Inhalte produziert werden (und das mit der kleinsten Redaktion!). 1:1-Übernahmen von Beiträgen machen allerdings nur 5 % der Gesamtanzahl aller untersuchten Beiträge aus. Es zeigt sich, dass es geregelte Verfahren hinsichtlich Zeitpunkt und Umfang der Übernahmen gibt. (vgl. ebd.: S. 311)

Nahezu 90 % aller Überschneidungen bestehen zwischen Print und Online, 6 % zwischen Online und TV und bei knapp 5 % der Fälle gibt es bei allen drei Medien eine Überschneidung. Überschneidungen zwischen Print und TV ohne Integration von Online kommt hingegen nicht vor (vgl. ebd.: S. 312).

Leitfadeninterviews

Wie aus den ebenfalls durchgeführten Leitfadeninterviews mit (stv.) Chefredakteuren und Chefs vom Dienst hervorgeht, sind personelle Wechsel für die Kooperationsbereitschaft zwischen den Medientypen sehr wichtig. Denn der Informationsaustausch und die Zusammenarbeit funktioniert weiterhin hauptsächlich über persönliche Kontakte, eine institutionelle Kooperationsverankerung ist nicht gegeben. Personelle Wechsel sind selten und wenn sie erfolgen, dann meist von der Print- zur Onlineredaktion (vgl. ebd.: S. 313ff). Alle Befragten sind sich einig, dass TV, Print und Online einfach anders funktionieren. Die Online-Redaktionen sind allerdings eher an einer Kooperation interessiert. Bei der technisch anspruchsvollen Mediengattung TV beschränken sich die Austauschprozesse eher auf vorgelagerte Tätigkeiten wie der Recherche oder dem Austausch von Kontakten und Quellen. Grundsätzlich scheint das Beharrungsvermögen journalistischer Routinen und Arbeitsprozesse das ökonomisch Gewünschte und technisch Machbare einzuschränken. Doch der Verlergertraum von den optimalen ökonomischen Funktionsprinzipien für eine medienneutrale Vermittlung ist deshalb noch lange nicht gestorben (vgl. S. 316f).

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